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Der Beutekunst auf der Spur

 
     
 
Am kommenden Donnerstag, dem 26. Februar, ab 19 Uhr berichtet Awenir Petrowitsch Owsjanow im Museum Hagenow, Lange Straße 79, 19230 Hagenow, als Gast des Kulturvereins und der Freundeskreis Ostdeutschland über seine Forschungen. Die Veranstaltung ist öffentlich.

Awenir Petrowitsch Owsjanow, ein ehemaliger Oberst der Sowjetarmee
, sucht nach Kunstschätzen, die in den furchtbaren Wirren des Zweiten Weltkrieges ihrer Heimat beraubt wurden. Seit den 50er Jahren lebt er in Königsberg und beschäftigt sich mit der Kulturgeschichte Ostdeutschlands. Als Dozent der Militärakademie war ihm ein öffentliches Wirken bis zur Zeit von Perestroika und Glasnost nicht möglich. In der offiziellen sowjetischen Politik galt Ostdeutschland nämlich als ein "Wespennest des Militarismus und Faschismus", und einer offiziellen allgemeingeschichtlichen oder gar kunsthistorischen Betrachtung wurde keine Existenzberechtigung eingeräumt. Inoffiziell jedoch wurde Owsjanow sein Hobby gestattet, denn, wann auch immer Regierungsvertreter oder hohe Militärs aus Moskau anreisten, man brauchte einen Kenner der Stadt und ihrer Vergangenheit. Auf besonderes Interesse stießen dabei immer die Geschichten um Bernsteinvorkommen und -verarbeitung.

Mit unwahrscheinlichem Engagement sammelte Awenir Owsjanow Zeugnisse deutscher Vergangenheit. Dabei spielte auch Bernstein eine besondere Rolle, einschließlich des Bernsteinzimmers. Leider hatte er bei seinen Bemühungen nur beschränkte Möglichkeiten. Deutsche Bewohner waren nicht mehr zu befragen; denn sie waren bis 1948 alle ausgewiesen worden. Die neuen Bewohner aus den verschiedensten Regionen der Sowjetunion interessierten sich, der offiziellen politischen Linie folgend, wenig für die vorgefundenen kulturhistorischen Schätze. So sammelte Owsjanow Bücher, Ansichtskarten, Münzen, Plakate und ähnliches und konstruierte sich daraus ein Bild von der vergangenen Lebensweise der Menschen, die dieses Gebiet 700 Jahre bewohnt haben.

Seit Glasnost ist es dem eifrigen Forscher möglich, auch die geheimen Archive auszuwerten. Die Archive wurden so geheimgehalten, daß sie nicht einmal zum eigenen wirtschaftlichen Vorteil genutzt wurden. Bei den Nachforschungen in den geheimen Unterlagen traten 50 Jahre nach Kriegsende erstaunliche Informationen zutage. So wurden nicht nur Stadtpläne sowie Pläne der Wasserversorgung und Kanalisation, von Elektroleitungen, Hafenanlagen und dergleichen Dingen entdeckt, die der Kommunalverwaltung und Wirtschaft in der Nachkriegszeit hilfreiche Dienste hätten leisten können, sondern auch Informationen über verschleppte Kunstschätze.

Unter anderem basierend auf diesen Quellen beschreibt der russische Forscher in mehreren Büchern bisher völlig unbekannte Vorgänge im Zusammenhang mit dem Raub und dem Verschleudern wertvoller Kunstgegenstände. Gleich nach der Revolution 1917 begannen die Sowjets mit dem Verkauf von Kunstschätzen. Damals, so könnte man wohlwollend argumentieren, wurde Geld benötigt, um die Bevölkerung mit Nahrungsmitteln aus dem Ausland zu versorgen. Später jedoch wurden wertvolle Stücke beschlagnahmt und als Geschenke an in- und ausländische Politiker verschenkt. Noch später sollten auch Bruderparteien der KPdSU solche Geschenke erhalten. Eine extra eingerichtete Kommission beschäftigte sich mit der Requirierung. Vorsitzender der Kommission war der Schriftsteller Maxim Gorki.

Nach dem Einmarsch der Roten Armee in Ostdeutschland wurde nun auch diese deutsche Provinz Opfer derartiger sowjetischer Maßnahmen. Harsche Kritik richtet Owsjanow an sein Land. Wie die aufgefundenen Dokumente beweisen, erfolgte die Beschlagnahmung und Dokumentation nicht immer durch qualifizierte Spezialisten. So wurden beispielsweise Goldpokale, Silberbestecke, Silbermünzen und dergleichen unregelmäßig in Einheiten wie Kilogramm, Kisten oder Säcken angegeben und Gemälde in Anzahl ohne Nennung des Motivs. Die Transportwege sind ungenau benannt, so daß viele Transporte verschollen sind. Wenn ein Museum Kunstwerke zugeteilt bekam, erfuhren die Mitarbeiter nicht, woher sie stammten. Helmut Spies

 

In Freundschaft verbunden: Awenir Petrowitsch Owsjanow (rechts) und der Autor dieses Beitrages mit ihren Ehefrauen Foto: Spies

Freunde seit 1998 Awenir Petrowitsch Owsjanow und Helmut Spies

Awenir Petrowitsch Owsjanow, der jetzt, 60 Jahre nach dem Krieg, versucht, Licht in das Dunkel der Schicksale verschleppter Kunstschätze zu bringen, ist seit 1998 mein Freund. In einer Zeitung beschrieb er das Schicksal unser beider Familien: Mein Großvater wurde 1914 von russischen Soldaten in der Rominter Heide erschossen, sein Großvater ist als russischer Soldat in Ostdeutschland gefallen, unsere Väter haben als Soldaten möglicherweise aufeinander geschossen, wir beide haben uns in einer russischen Sauna das "Du" angeboten. Ich bin in Ostdeutschland geboren und wohne in Hagenow, sein Enkelsohn hat in dem von mir geleiteten Krankenhaus in Hagenow das Licht der Welt erblickt und wohnt in Ostdeutschland.

Ich meine heute: Wir sollten alles tun, damit unsere Kinder und Enkelkinder nicht das Schicksal erleben, das unsere Großväter zu erleiden hatten. H. S.
 
     
     
 
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