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Die Ausstellung Erhalten und Gestalten informierte und lud auch zur aktiven Mitarbeit ein

 
     
 
Webstühle, Keramikgeschirr, Handarbeiten: kurz viel Selbstgefertigtes bot sich dem Schauenden bei der Ausstellung unter dem Motto "Erhalten und Gestalten" in der Messehalle drei in Leipzig. Alles, was es hier zu bewundern gab, war nach alten ostdeutschen Techniken und Mustern gearbeitet worden. Entsprechend belagert waren die verschiedenen Stände - für jeden Geschmack war etwas dabei. Doch nicht allein beim Schauen oder Kaufen blieb es. Nein, wer Lust hatte, konnte sogar selber aktiv werden. Zum Beispiel an dem Stand von Johanna Kalläwe, die mit ihrer Schleifmaschine zeigte, was man aus kleinen Bernstein- stücken so alles zaubern kann. Beim Schleifen von Rohbernstein aus Palmnicken versuchte so mancher Interessierte sein Glück. Kleine Bilder und Schmuck-stücke, Wappen und Knöpfe zeugten von der Kunstfertigkeit Johanna Kalläwes. Seit 1954 arbeitet sie bereits mit dem Naturstein. Es geht ihr vor allem darum, Bernstein als Naturmaterial nahezubringen. Und indem sie auch die Zuschauer an die Schleifmaschine ließ, wollte sie zeigen "wie leicht es ist, Bernstein zu schleifen". Doch nicht nur schön ist der goldene Stein, sondern auch nützlich. Ein Bernsteinkissen, das man auf den Körper legt, hält die Wärme und lindert so Schmerzen. Vielseitig ist das Gold der Ostsee!

Am nächsten Stand stellte Keramikerin Sigrid Petersen ihr Können unter Beweis. Sie zeigte nachgearbeitete Cadina Majoliken und Lasdehner Fayencen, die natürlich auch Absatz fanden. Die mit wunderschönen alten Motiven wie Kornblume
oder Tränendes Herz bemalten Fayencen weckten die Bewunderung der Landsleute. Die Keramikerin, die eine eigene Töpferstube besitzt, töpfert bereits seit 30 Jahren. Viel Können, Liebe, Mühe und Zeit steckt in ihrem selbstgefertigten Geschirr. Allein für die Untertasse benötigt Sigrid Petersen etwa fünf Stunden. Dafür ist das Ergebnis auch ein Augenschmaus. Weitergehend traf man auf Sigrid Albinus, an deren Stand es unzählige Jostenbänder zu bewundern gab. Das Wort Jostenband leitet sich von dem altpruzzischen Wort "Josta" ab und bedeutet so viel wie Gürtel. Nicht mehr viele verstehen sich auf die Kunst des Jostenbandknüpfens. Bereits vor über 100 Jahren - mit der fortschreitenden Industrialisierung - kam es aus der Mode, Jostenbänder für den täglichen und sonntäglichen Gebrauch selber zu weben. Maschinell gewebte Bänder verdrängten bald die uralte Handarbeitsform mit ihren symbolischen Mustern. Auch deshalb sind nur wenige Originale erhalten. Seit 1977 sammelt Sigrid Albinus alte Muster und trägt so dazu bei, daß altes Wissen und Brauchtum nicht vollständig verloren gehen.

Das gilt auch für Ute Tenzer, die sich mit der alten ostdeutschen Weißstickerei bestens auskennt. Als Übungsleiterin gibt sie auf der von der Kulturabteilung der Freundeskreis Ostdeutschland organisierten Werkwoche in Bad Pyrmont die alten ostdeutschen Techniken der Weißstickerei weiter. Seit sechs Jahren gibt die freie Handarbeitsberaterin in diesem Rahmen ihr Wissen weiter. Auf die Frage, wo sie die Weißstickerei erlernt habe, lächelt Ute Tenzer und erklärt, daß sie von einer Ostpreußin "eingeweiht" wurde.

Ebenfalls bei der jährlich stattfindenden Werkwoche zum Thema "Erhalten und Gestalten" im Einsatz ist Edith Huwe. Sie zeigt, wie ostdeutsche Trachten genäht werden - sei es Fest- oder Arbeitstracht. Auf der Werkwoche können die Teilnehmer unter ihrer Anleitung eine traditionelle Tracht nach individuellem Maß schneidern. Den Stoff für die unterschiedlichen Trachten liefert Jürgen A. Peters, der mit seinem Webstuhl vor Ort sein Können zeigte. Er webt die unterschiedlichsten alten ostdeutschen Muster nach, doch auf Kundenwunsch hin werden auch neue entwickelt. In seiner Handweberei in Königslutter verkauft er neben Trachtenstoffen auch Geschirr- und Tischtücher. Besonders beliebt und exquisit sind Maßanfertigungen, die Jürgen Peters auf Wunsch webt. Stücke, die es bestimmt nicht zweimal gibt.

Eine weitere Webtechnik, nämlich die des Doppelwebens, führte Barbara Lorenzen vor. Bis zur Mitte des vergangenen Jahrhunderts war diese Webtechnik in Ostdeutschland, im besonderen in Masuren, sehr verbreitet. Die zunehmende Industrialisierung und ihre preiswerten Erzeugnisse hielten auch in Ostdeutschland ihren Einzug, das Doppelgewebe geriet in Vergessenheit. Erst nach dem Ersten Weltkrieg erlebte es eine Renaissance, die in den zwanziger Jahren ihren Höhepunkt fand in der wissenschaftlichen Aufbereitung durch Prof. Konrad Hahm. Dieser war Leiter des Museums für Deutsche Volkskunde in Berlin. Einige alte Gewebe sind im Museum gesammelt worden und stammen aus der Zeit zwischen 1799 und 1822. Doppelgewebe waren in Ostdeutschland Schmuckstücke für Truhe und Tisch, die bei feierlichen Anlässen wie Hochzeit, Taufe und auch Beerdigungen verwendet wurden. Sie gehörten unbedingt zur Ausstattung einer Braut, wurden von Generation zu Generation vererbt, von der Mutter auf die Tochter und weiter auf die Enkelin.

Mit dem Weben auf Rahmen und dem Webknüpfen kennt sich Dagmar Adomeit aus. Auch sie ist auf den Bad Pyrmonter Werkwochen anzutreffen, wo sie diese alten Techniken zeigt und lehrt. Es werden neue Stücke nach alten Mustern gefertigt - entweder aus Wolle oder aus Flachs. Früher standen in den meisten ostdeutschen Bauernhäusern Webstühle. Und die Mädchen webten und knüpften für die Aussteuer auch Teppiche.

In dem bunten Reigen der ostdeutschen Handarbeitszunft darf natürlich das Stricken nicht fehlen. Für dieses Gebiet war Christel Klawonn, Landesvorsitzende des Frauenkreises in Bremen, zugegen. Von alten vorliegenden Originalen schaut sie sich die Muster ab, um sie nachzustricken und weiterzugeben. Wunderschöne Strickereien mit kunstvollen alten Mustern konnten an ihrem Stand bewundert werden. Während die traditionellen Fäustlinge unter die Rubrik "Erhalten" fallen, stehen die moderneren Fingerhandschuhe für das "Gestalten". Wichtig ist, daß die alten Muster überliefert werden. Ob es nicht ganz schön kompliziert ist, so ein kunstvoll gemustertes Paar Handschuhe zu stricken? Unerläßlich sei vor allem eine große Portion Ruhe, meint Christel Klawonn.

All die in der Messehalle drei unter dem Motto "Erhalten und Gestalten" vorgestellten Techniken können erlernt werden. Die nächste Werkwoche findet vom 4. bis 10. November im Ostheim in Bad Pyrmont statt.

 
     
     
 
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