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Nur unverständliches Zeug? Das Interesse an den Schriften Johann Georg Hamanns ist gewachsen

 
     
 
Johann George Scheffner bescheinigte seinem Freund Johann Georg Hamann einen "eisenfesten Charakter", ein "menschenfreundliches Herz" und ein "wunderbares Gemisch von wahrer Kindlichkeit und den Heftigkeiten des leidenschaftlichsten Menschen". "Sein Haus war ein chaotisches Magazin, in dem Kluges, Gutes, Gelehrtes und Religiöses durcheinander und zum Gebrauch eines jeden, der hinkam, offen da lag ..." Ähnlich chaotisch und voller vielfältiger Themen mögen die Schriften des Theologen und Denkers aus Königsberg auf heutige Leser wirken.

"Ein Lay und Ungläubiger kann meine Schreibart nicht anders als für Unsinn erklären, weil ich mit mancherley Zungen mich ausdrücke, und die Sprache der Sophisten, der Wortspieler, der Creter und Araber, der Weißen und Mohren und Creolen rede, Critick, Mythologie
, rebus und Grundsätze durcheinander schwatze", bekannte Johann Georg Hamann selbst in einem Brief 1759. Und kurz vor seinem Tod, als er plante, seine gesammelten Werke herauszugeben, wollte er seine Schriften noch einmal gründlich überarbeiten – schließlich "gewissenshalber kann ich weder dem Verleger noch dem Publico zumuten, unverständliches Zeug zu lesen".

In der Tat: schon die Zeitgenossen Hamanns hatten Schwierigkeiten, den Sinn so mancher Verlautbarung des Königsbergers zu verstehen. Selbst Goethe bekannte sich zu solchen Schwierigkeiten, doch habe er in Hamanns "sibyllischen Blättern" etwas gefunden, dem er sich "überließ, ohne zu wissen, woher es komme und wohin es führe".

Erstaunlich denn auch das Interesse, das Hamann und seine Schriften mehr als 200 Jahre nach seinem Tod gerade heute bei Wissenschaftlern – seien es Theologen, Philosophen, Philologen, seien es Sprach- oder Literaturwissenschaftler – findet. Besonders in den vergangenen Jahren ist eine beträchtliche Zunahme an Veröffentlichungen zu verzeichnen, nicht zuletzt geweckt durch Veranstaltungen zum 200. Todestag des Königsbergers wie das 6. Internationale Hamannkolloquium in Münster und die daran anschließende Ausstellung, die in verschiedenen Universitätsbibliotheken und auch im Ostdeutschen Landesmuseum in Lüneburg zu sehen war.

In einem Literaturbericht für die "Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte" (Verlag J. B. Metzler, Stuttgart, Heft 2/Juni 1997. Einzelpreis 62 DM; Jahresabonnement 198 DM) untersuchte Elfriede Büchsel, Hannover, die Hamann-Literatur der Jahre 1986 bis 1995. "Die Textarbeit ist bekanntlich mühsam", betont die Autorin im Hinblick auf Hamanns Veröffentlichungen. "Aber es zeigt sich immer wieder: die historische Aufschlüsselung seiner Feldzüge im Gegenüber zu namentlich bestimmten Kontrahenten, seiner Strategien und Zitierungen, ist die Voraussetzung für ein wirkliches Eindringen in sein Denken, seine Welt, seine Sprachkunst." Aber Vorsicht: "Auf dem Glatteis seiner Ironie ist leicht straucheln."

Büchsel untersuchte für ihren Bericht Vorträge, Monografien, Vorlesungen aus aller Welt. So wandte sie sich auch der Hamann-Forschung in Japan zu, wo man den ostdeutschen Denker "vor allem angesichts der Enttäuschung über die moderne Idee des Fortschritts und angesichts der globalen Naturverletzungen" zu würdigen weiß. In Deutschland hat Hamann auch auf zeitgenössische Schriftsteller gewirkt. Kenner und Liebhaber Hamannscher Schriften war der in Tilsit geborene Dichter Johannes Bobrowski (1917–1965), der auch ein Gedicht und einen Epilog dem Denker widmete. Büchsel nennt eine Studie von Oswald Bayer, die sich mit diesem Thema befaßt.

Vielfältig ist die neuere Literatur um den Denker Johann Georg Hamann. Die Literaturliste im Anschluß an den Bericht nennt allein über 180 untersuchte Texte aus zehn Jahren. Ein eindrucksvoller Beweis, daß die Schriften Hamanns heute keineswegs als "unverständliches Zeug" abgetan werden. Peter van Lohuizen

 
     
     
 
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