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Sehnsucht nach einem Symbol Der Schlesier Joseph Freiherr von Eichendorff und die Marienburg

 
     
 
Es bleibt dabei, von (Ost) Preußen kommt mir doch alles wahrhaft Anregende und Erfreuliche meines Lebens". Der diese Zeilen schrieb, war zunächst gar nicht begeistert vom rauhen Klima in Ostdeutschland und vom Leben in Königsberg, wohin er am 23. September 1824, vor nunmehr 170 Jahren, als Konsistorial- und Schulrat versetzt wurde. Und doch waren es entscheidende Jahre, die Joseph Freiherr von Eichendorff in der alten Krönungsstadt am Pregel verbrachte.

Geboren am 10. März 1788 im oberschlesischen Lubowitz bei Ratibor, wo kürzlich ein Denkmal zu Ehren des Dichters enthüllt wurde, studierte Eichendorff in Halle und Heidelberg Jura, nahm an den Befreiungskriegen
gegen Napoleon als Lützower Jäger teil und wirkte von 1816 bis 1819 als Referendar bei der Breslauer Regierung. 1821 wurde er in Danzig zum Regierungsrat ernannt. In Königsberg denn witmete er sich neben seiner beruflichen Arbeit vor allem der dramatischen Dichtung. 1830 erschien sein historisches Drama "Der letzte Held von Marienburg", das ein Jahr später (im Winter 1831) in Königsberg aufgeführt wurde. 1826 schon war sein heute noch berühmter "Taugenichts" erschienen.

Der Königsberger Prof. Dr. Erich Trunz, Goethe-Kenner und Experte der Literatur des 18. und frühen 19. Jahrhunderts bemerkte einmal in einem Essay über den "Entwicklungsgang der romantischen Literatur": "… nun, da die Romantik alt geworden scheint, klingt eine Stimme hervor, die gleichsam ewig jung ist: Eichendorff … Seine Bilder von Landschaften, zumal wenn sie als Träume vorkommen, sind symbolisch für innere Vorgänge. Darin setzt er fort, was Runge und Caspar David Friedrich anstrebten … Eichendorff behält bis zu seinem Tode, 1857, seinen Ton, rein und schön. Das Erlebnis der Natur und das der christlichen Gnade schließen sich für ihn zusammen. Noch einmal klingt in seinen Liedern und Novellen die ganze Seele der Romantik auf."

Eichendorff, den romantischen Dichter, mögen heute noch viele kennen. Wer aber weiß, daß er, der 1831 nach Berlin übersiedelte und 1843 noch einmal ins östliche Preußen zurückkehrte, um in Danzig die Geschichte der Wiederherstellung der Marienburg zu schreiben, daß dieser Mann sich wie so viele bedeutende Menschen seiner Zeit verhement für das mächtige Bauwerk des Ordens einsetzte? Es mag der romantische Geist des 19. Jahrhunderts gewesen sein, der die Menschen veranlaßte, sich für die Marienburg einzusetzen. Schon der Tilsiter Dichter Max von Schenkendorf hatte sich 1803 mit seinem Aufruf "Ein Beispiel von der Zerstörungssucht in Preußen" für den Wiederaufbau engagiert. Hofbauinspektor Friedrich Gilly (1772 bis 1800) hatte mit seinen Zeichnungen auf den erbarmungswürdigen Zustand des Bauwerks aufmerksam gemacht. Aber erst Oberpräsident Theodor von Schön gelang es schließlich, den Wiederaufbau in Gang zu bringen. 1842 berichtete v. Schön seinem König:

"Die Art der Wiederherstellung Marienburgs ist ein Moment in der Kulturgeschichte von Preußen, und es scheint Pflicht gegen Mit- und Nachwelt zu sein, das, was von der jetzigen Generation für Marienburg geschah, in vollem Lichte darzustellen. – Der Baron von Eichendorff wäre der richtige Mann dazu. Er hat jahrelang mit und neben Marienburg gelebt, er kennt den prosaischen Teil der Wiederherstellung, so viel davon hier nötig ist; die preußische Geschichte lebt ihrem Wesen nach in ihm, wie seine Gedichte für Marienburg zeugen und als Dichter, gerade für die Zeit, in der Marienburg blühte, steht er bedeutend da."

So übernahm der Oberschlesier Eichendorff nicht nur die Verantwortung für die Geschäftsverwaltung dieses großen Bauvorhabens, es hielt die Geschichte des Wiederaufbaus auch für die Nachwelt fest. Blumig wirkt seine Sprache für uns Heutige, doch man wird unschwer die Begeisterung erkennen, die nötig war, ein solches Vorhaben zu realisieren:

"Im Brande von Moskau", so Eichendorff, "leuchtete das blutige Morgenrot einer neuen Zeit mahnend herüber. Das große französische Heer, welches noch vor kurzem so übermütig durch Marienburg gezogen, wankte einzeln, in Lumpen, von Fiebern schauernd, der fernen Heimat zu und bettelte um die Barmherzigkeit seiner Feinde. Eine ungeheure Ahnung flog über das Land …" "Deutschland hatte, fast überrascht, sich selber wiedererkannt, und die Herzen, einmal vom Hohen berührt, wurden auch für die großen Erinnerungen der Vorzeit und die Denkmale, die von ihnen zeugen, wieder empfänglich. Man erkannte, daß es kein Vorwärts gebe, das nicht in der Vergangenheit wurzele, daß der Stammbaum jedes neuen Gedankens in der Geschichte, den Gesinnungen und Irrtümern der vorübergegangenen Geschlechter nachzuweisen sei, und man sehnte sich überall nach einem dauernden Symbol dieser neuen Überzeugungen und Zustände." – Worte, die mancher auch auf spätere Zeiten beziehen mag und die auf diese Weise eine noch tiefere Bedeutung erlangen. Peter van Lohuizen

 
     
     
 
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