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Torpedoboote aus Elbing und Minensuchboote aus Königsberg für das Reich (und das Ausland)

 
     
 
Am 30. Januar des Jahres 1814 wurde im ostdeutschen Elbing Ferdinand Schichau geboren. Bereits im Alter von 23 Jahren gründete er in seiner Heimatstadt eine Maschinenbauwerkstätte, die sich gut entwickelte. Insbesondere Bagger und Lokomotiven wurden in diesem Werk gebaut.

1852 wagte Schichau dann einen weiteren expansiven Schritt: Er errichtete eine Schiffbauwerft, die im deutschen Kriegsschiffsbau eine ganz besondere Rolle spielen sollte. Ab 1871 experiment
ierte die deutsche Marine mit einer neuen Waffe - dem Torpedo. Die dazu passenden Boote sollten ausschließlich im Küstenvorfeld operieren. An der Ausschreibung der Marine beteiligte sich auch die Schichauwerft. Der von ihr entwickelte Torpedobootstyp setzte sich hierbei durch, und so beauftragte die kaiserliche Marine Schichau mit dem Bau von 87 Booten. In dieser Zeit besaß Schichau ein Monopol im Torpedobootsbau in Deutschland. Zahlreiche ausländische Marinen ließen in Elbing Torpedoboote für ihre Marinen bauen.

Um die Jahrhundertwende ging die deutsche Marine zum Hochseetorpedoboot über. Zwar wurden nun mit Germania und Vulkan auch Werften in Kiel und Bremen in die neuen Bauprogramme einbezogen, aber die Schichauwerft gehörte nach wie vor zu den ersten Adressen im Torpedobootsbau in Deutschland und konnte auch weiterhin Boote ins Ausland exportieren. So bestellten Brasilien, Dänemark, Norwegen, Rumänien, Schweden, Rußland, Österreich-Ungarn, Japan, Italien und das Osmanische Reich Torpedoboote aus Elbing. Sogar die US-amerikanische Marine ließ zu Versuchszwecken ein Torpedoboot bei Schichau bauen.

Eine Sonderrolle spielte die Schichauwerft beim Aufbau der chinesischen Torpedobootswaffe: 14 Boote kamen aus Elbing, zahlreiche weitere Einheiten baute die Stettiner Vulkanwerft. Somit kamen fast alle chinesischen Torpedoboote vor dem Ersten Weltkrieg aus deutscher Produktion. Auch drei größere Zerstörer ließ China in den Jahren 1911 und 1912 in Elbing bauen, wie auch andere Seemächte derartige Schiffe bei den Schichauwerken in Auftrag gaben. So konnte man Exporterfolge in Argentinien, Italien, Norwegen und Rußland - allein hier immerhin acht Einheiten - verbuchen.

Von den beiden letzten Torpedobooten der kaiserlichen Marine, "S113" und "V116", kam eines aus Elbing. Diese Boote waren in Bezug auf die Kampfkraft das Nonplusultra der Zerstörer/Torpedoboote des Ersten Weltkrieges. Mit über 2.000 Tonnen waren sie eigentlich Zerstörer, mit vier Geschützen zu 15 Zentimetern führten sie die Artillerie eines Kreuzers. Beide Boote wurden zur Kriegsbeute der Siegermächte. Frankreich und Italien erhielten je eine Einheit und hielten sie bis Mitte der 30er Jahre in Dienst. Ihr Vorbild beeinflußte in beiden Ländern den Bau von übergroßen Zerstörern - den Flottillenführern.

Mit dem Ende des verlorenen Ersten Weltkrieges endete auch vorerst der Torpedobootsbau in Elbing. Die neue Reichsmarine hatte nur wenig Geld, das Versailler Friedensdiktat erlaubte zudem nur den Bau von zwölf Torpedobooten. Diese ließ die Reichsmarine auf der staatseigenen Werft in Wilhelmshaven bauen. Erst mit dem Abschluß des deutsch-britischen Flottenvertrages von 1935 sollten wieder im großen Stil Torpedoboote gebaut werden.

Der zunächst entworfene Typ "1935-37" war eine ausgesprochene Fehlkonstruktion, weil er artilleriemäßig unterbewaffnet war. Er bewährte sich im Einsatz überhaupt nicht. Trotzdem wurden hiervon 21 Boote gebaut, welche die knappen Mittel an Rohstoffen und Arbeitskraft bis in das Jahr 1942 banden.

1939, noch vor Kriegsbeginn, hatten die Verantwortlichen jedoch gemerkt, daß der gebaute Bootstyp nicht das hielt, was man sich von ihm versprochen hatte. Da jedoch bereits eine große Anzahl von Maschinenturbinen für die bestellten Boote im Bau war, konstruierte man um diese Maschinenanlagen herum ein Boot mit ausreichender Artillerie. Die Aufträge für diese Boote wurden exklusiv an die Elbinger Schichauwerft vergeben. Sie können mit Recht als die besten deutschen Hochseetorpedoträger des Zweiten Weltkrieges bezeichnet werden. Die "Royal Navy" bezeichnete sie - obwohl tonnagemäßig kleiner als Zerstörer - als "Elbing Destroyers" oder "Schichau Destroyers".

Dieser Bootstyp bewährte sich im Atlantik und der Ostsee gleicher- maßen. Die mit diesem Bootstyp ausgerüstete 4. Torpedobootsflottille konnte im Oktober 1943 in einem Nachtgefecht den britischen Kreuzer HMS "Charybdis" versenken. Der letzte Einsatz dieser Schichau-Destroyer galt dem Abtransport von Flüchtlingen und Verwundeten aus dem deutschen Osten. Am 8. Mai 1945 legten die letzten vier Torpedoboote im Hafen von Hela an und übernahmen Flüchtlinge.

Bereits 1890 gründete Schichau in Danzig einen Zweigbetrieb. Durch das dort vorhandene tiefere Fahrwasser war in Danzig auch der Bau von größeren Kriegsschiffen möglich. Mit dem Linienschiff SMS "Kaiser Barbarossa", das im Jahre 1900 vom Stapel lief, vergab die kaiserliche Marine den Bau eines Hauptkampfschiffes an die Danziger Schichauwerft. Es entstanden dort die Linienschiffe "Wettin" (Stapellauf 1901), "Elsaß" (Stapellauf 1903), "Lothringen" (Stapellauf 1904) und "Schlesien" (Stapellauf 1906).

Ab 1906 ging die kaiserliche Marine zum Bau von Großkampfschiffen nach britischem Vorbild über. Auch hierbei erhielt die Danzi- ger Schichauwerft wieder Bauaufträge: Die Schlachtschiffe "Oldenburg" (Stapellauf 1910) und "König Albert" (Stapellauf 1912).

In Danzig entstand auch das letzte Schlachtschiff der kaiserlichen Marine. Es konnte am 19. Oktober 1916 als SMS "Baden" in Dienst gestellt werden. Von SMS "Friedrich der Große" übernahm es alsbald die Funktion des Flottenflaggschiffes.

Erst spät vergab die kaiserliche Marine Bauaufträge für Schlachtkreuzer an die Danziger Schichauwerft. So entstand SMS "Lützow" (Stapellauf 1913) in Danzig. Der am 15. September 1917 vom Stapel gelaufene Schlachtkreuzer "Graf Spee" konnte nicht mehr fertiggestellt und mußte nach dem Versailler Vertrag abgewrackt werden.

Nach diesem Vertrag schied die zu über 99 Prozent von Deutschen bewohnte Stadt Danzig aus dem Deutschen Reich aus. Damit endete für lange Zeit der Kriegsschiffsbau in Danzig, wo zunächst nur noch zivile Handelsschiffe gebaut wurden. 1936 vergab die Kriegsmarine den Bau der Troß- und Tankschiffe "Dithmarschen" und "Nordmark" (später "Westerwald") an die Danziger Schichauwerft. 1937 folgte der Bauauftrag für die "Ermland". 1939, als Danzig wieder dem Deutschen Reich angehörte, wurde noch ein weiteres Troßschiff, die "Kurmark", bestellt, mit deren Bau aber nicht mehr begonnen werden konnte. Diese Troßschiffe spielten in den ersten Kriegsjahren bei der Versorgung der Hilfskreuzer und Panzerschiffe in Übersee eine wesentliche Rolle.

Ab 1939 stand der Bau von U-Booten im Mittelpunkt der Rüstungsanstrengungen. So wurden zahlreiche U-Boote des Standardtyps VII bei der Schichauwerft in Danzig gefertigt. 1941 konnten die ersten Boote vom Typ VII C aus Danziger Schichaufertigung in Dienst gestellt werden.

1931 gründete Schichau einen Zweigbetrieb in Königsberg, der allerdings nicht die Bedeutung der Elbinger und Danziger Schichauwerft erlangen konnte. Im Verlauf des Zweiten Weltkrieges wurde aber auch dieser Betrieb in den Kriegsschiffsbau miteinbezogen. Im letzten Kriegsjahr wurden Bauaufträge für 86 Minensuchboote an die Königsberger Schichau-Werft vergeben. Diese immerhin 821 Tonnen Einsatzverdrängung großen Boote wurden in Sektionsbauweise erstellt. Hierdurch sollten kürzere Bauzeiten erzielt werden. Tatsächlich wurden unter den Produktionsbedingungen des letzten Kriegsjahres aber bis zu sechs Monate benötigt. Nur die ersten sechs Boote konnten noch in Dienst gestellt werden. Einige Boote sollten nach dem noch erfolgten Stapellauf in Rostock fertiggebaut werden. Hierzu ist es aber nicht mehr gekommen.

Doch zurück zum Elbinger Stammbetrieb. Im Dezember 1944 stellte mit "T 36" das letzte der Boote vom Typ 1939 in Dienst, die sich, wie bereits erwähnt, auch in der Biskaya ausgezeichnet bewährt hatten. In Nachfolge dieser legendären "Schichau Destroyers" (Flottentorpedoboot 1939) wurden bei Schichau Elbing ab 1942 die verbesserten Flottentorpedoboote 1941 in Bau gegeben. Diese Boote sollten zwei Knoten schneller sein und wiesen einige Verbesserungen bei der Flugabwehr auf.

Insgesamt orderte die Kriegsmarine 15 Boote dieses Typs, von denen 14 auch noch tatsächlich begonnen wurden. Die ersten neun dieser Boote liefen 1944 vom Stapel. "T 37" als erstes Boot sollte Ende 1944 in Dienst gestellt werden. Für "T 42" war die Indienststellung für Juli 1945 in Aussicht genommen worden.

Mit dem Zusammenbruch der Heeresgruppe Mitte im Spätsommer 1944 rückte die Ostfront immer näher an Ostdeutschland heran. Die Folge war, daß der Fortgang des Bauprogrammes verzögert wurde. Am 22. Januar 1945 mußte bei Schichau Elbing die Bautätigkeit eingestellt werden. Die Kriegsmarine plante, die am weitesten vorangekommenen Boote auf einer Werft im Westen fertig zu bauen. "T 37" war zu diesem Zeitpunkt bereits zu 97 Prozent fertiggestellt. Auch "T 38" (84 Prozent) und "T 39" (76 Prozent) waren soweit fortgeschritten, daß die Indienststellung nur noch eine Frage von wenigen Wochen gewesen wäre. So versuchte man die vier Boote "T 37" bis "T 40" nach Westen abzuschleppen. Hierbei lief "T 40" bei Danzig-Brösen auf eine Untiefe und kam nicht mehr frei. Daraufhin mußte der Torso gesprengt werden. Die drei anderen Boote erreichten Kiel beziehungsweise Bremerhaven. An eine Fertigstellung war indes nicht mehr zu denken. Die Alliierten beluden die drei Boote nach Kriegsende mit Gasmunition und versenkten sie im Skagerrak.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde in Bremerhaven ein Werftbetrieb unter der Bezeichnung Ferdinand Schichau GmbH gegründet. Im Berliner Stadtteil Tempelhof erinnert der Straßenname "Schichauweg" an den ostdeutschen Werftbe- trieb. Klaus Gröbig

 

Wie das Flottentorpedoboot T 30, dessen Stapellauf am 13. März 1943 hier zu sehen ist, wurden auch die anderen Schiffe dieses Typs am Stammsitz der Schichauwerft erbau
 
     
     
 
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