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Wegen Junge Freiheit-Interview Rechtsextrem? Skurrile Debatte im Stuttgarter Landtag

 
     
 
Am dritten Februar-Wochenende siedelte "Tagesthemen"-Moderator Ulrich Wickert die ehemaligen Bundeswehrgenerale Dr. Franz Uhle-Wettler und Gerd Schultze-Rhonhof nahe der rechtsextremen Szene an. Schultze-Rhonhof hielt Wickert gleichsam als Beweis für seine Nähe zu Rechtsaußengruppierungen vor, Autor der Wochenzeitung "Junge Freiheit
" zu sein.

Die Republikaner im Landtag von Baden-Württemberg nahmen die Entgleisungen des prominenten ARD-Journalisten zum Anlaß einer mündlichen Anfrage an die Landesregierung, weil in der Wickert-Sendung auch ein Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz mit einer Bemerkung zu Wort kam, die den Eindruck vermittelte, die Unterstellungen des "Tagesthemen"-Moderators würden zutreffen. Die Landesregierung beantwortete die Anfrage am 12. März. Das dokumentiert diesen Vorgang aus dem Landtagsprotokoll.

Deuschle: Ich frage die Landesregierung:

a) Trifft es zu, daß ein Mitarbeiter des Landesamtes für Verfassungsschutz vor kurzem in der ARD-Sendung "Tagesthemen" die demokratische Gesinnung der Generäle Uhle-Wettler und Schultze-Rhonhof unter anderem in Frage gestellt hat, weil einer der beiden Generäle der Wochenzeitung "Junge Freiheit" ein Interview gewährt hat?

b) War der Präsident des Landesamtes für Verfassungsschutz vor dem Fernsehauftritt seines Mitarbeiters über den Inhalt der Aussage informiert, und hat er diesen gebilligt?

Stellvertretender Präsident Birzele: Herr Staatssekretär Rückert, Sie erhalten das Wort zur Beantwortung dieser Anfrage.

(Zwischenruf des Abgeordneten Brechtken [SPD]: Herr Präsident, darf man hier alles fragen? – Einwurf Abgeordneter Sieber [CDU]: Da könnte ja jeder kommen!)

Staatssekretär Rückert: Ich bin beauftragt, im Namen der Landesregierung diese Frage wie folgt zu beantworten: Antwort auf die Frage unter Buchstabe a: Nein, diese Behauptung trifft so nicht zu.

(Zwischenruf des Abgeordneten Brechtken [SPD]: Reicht!)

Staatssekretär Rückert: Richtig ist, daß in der ARD-Sendung "Tagesthemen" am 14. Februar 1998 ein kurzer Ausschnitt aus einem längeren Interview mit dem stellvertretenden Leiter des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg zum Thema Rechtsextremismus gezeigt wurde, in dem die beiden genannten ehemaligen Generäle erwähnt wurden. Dabei wurde darauf hingewiesen, daß General a. D. Dr. Franz Uhle-Wettler wiederholt auf Veranstaltungen der Gesellschaft für freie Publizistik, der größten rechtsextremistischen Kulturvereinigung in Deutschland, aufgetreten sei.

Generalmajor a. D. Gerd Schultze-Rhonhof wurde in dem gesendeten Interviewausschnitt irrtümlich als Autor der "Jungen Freiheit", einer rechtsextremistischen Einflüssen unterliegenden Zeitung bezeichnet. Dieser Irrtum wurde durch eine Erklärung des Präsidenten des Landesamtes gegenüber der "Tagesthemen"-Redaktion am 20. Februar 1998 richtiggestellt, weil Generalmajor Schultze-Rhonhof, wie andere auch, nur Interview-Partner war und sich aus dieser Tatsache allein keine Anhaltspunkte für eine Nähe der betreffenden Person zu extremistischen Grundpositionen ableiten lassen.

Von den Moderatoren der Sendung wurden die beiden pensionierten Bundeswehrgeneräle undifferenziert in Beziehung zur rechtsradikalen beziehungsweise extremistischen Szene gesetzt. Diese Bewertung trifft zumindest in bezug auf Generalmajor a.D. Schultze-Rhonhof nicht zu. Der Vertreter des Landesamtes für Verfassungsschutz hat auch in einem längeren, nicht gesendeten Interview nicht erklärt, daß dieser Beziehung zu rechtsextremistischen Kreisen unterhalte oder gar selbst Rechtsextremist sei. Diese Schlußfolgerung wurde in der Sendung am 14. Februar vielmehr von den Journalisten gezogen.

Antwort auf die Frage unter Buchstabe b: Dem Präsidenten des Landesamtes für Verfassungsschutz Baden-Württemberg war vor dem Fernsehauftritt seines Stellvertreters bekannt, daß dieser einer ARD-Reporterin ein längeres Interview über aktuelle Aspekte des Rechtsextremismus zu geben beabsichtigte. Der Wortlaut des Interviews im einzelnen war dem Präsidenten naturgemäß vorab nicht bekannt. Soviel als Antwort.

Stellvertretender Präsident Birzele: Zusatzfrage, Herr Abgeordneter Deuschle.

Deuschle (REP): Herr Staatssekretär, welche internen Maßnahmen sind getroffen worden oder existieren, damit solche weitreichenden, vielleicht auch mißverständlichen Aussagen mit entsprechenden Konsequenzen für die Ehre der Betroffenen nicht mehr gemacht werden können?

Staatssekretär Rückert: Sie haben ja von mir schon gehört, daß nach außen hin dem Anliegen, sicherzustellen, daß keine falschen Aussagen in die Öffentlichkeiterklärungen kommen, durch die entsprechende Erklärung des LfV-Präsidenten bereits Rechnung getragen worden ist.

Im übrigen hat Generalmajor a. D. Schultze-Rhonhof inzwischen Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den interviewten Mitarbeiter des Landesamtes erhoben und eine Richtigstellung gegenüber den Medien verlangt. Das ist damit erfolgt, und die Dienstaufsichtsbeschwerde wird ordnungsgemäß behandelt . . .

Abgeordneter Rapp (REP): Herr Staatssekretär, inwieweit ist ein Interview in der "Jungen Freiheit" Grund, an der demokratischen Gesinnung des Interview-Partners zu zweifeln, wenn selbst ein Mitglied der baden-württembergischen Landesregierung dort schon Interview-Partner war?

(Zwischenruf des Abgeordneten Brechtken [SPD]: Wer war denn das? - Abgeordneter Deuschle [REP]: Wir wissen es! – Abgeordneter König [REP]: Die "Junge Freiheit" lesen, dann wissen Sie mehr! – Heiterkeit, Unruhe.)

Staatssekretär Rückert: Herr Abgeordneter Rapp, ich meine, Sie haben eine wesentliche Passage meiner Aussage überhört oder vielleicht nicht richtig aufgenommen. Ich habe ausdrücklich festgehalten, daß – ich zitiere – aus einem Interview mit einer Zeitung noch lange nicht die Tatsache geschlossen werden kann, daß Anhaltspunkte für die Nähe der betreffenden Person zu extremistischen Grundpositionen gegeben sind. Das habe ich vorhin zitiert.

 
     
     
 
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