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Als der Kuckuck rief

 
     
 
Es ist eine ganz einfache, alltägliche Geschichte, die ich hier erzählen will, aber sie ist wahr, nichts ist dazugemacht, auch nichts fortgelassen. Es war damals, als ich noch eine junge Frau war und der Jasminstrauch am Gartenzaun blühte, auf den Brunnenrand weiße Blütenblättchen fielen, die Finken noch spät am Abend im Birnbaum schlugen und die Poggen in allen Teichen quarrten.

An einem solchen Abend saßen mein Alter und ich unter dem Jasminstrauch am Brunnen auf der schmalen Bank. Als wir uns so am Finkenschlag, Froschgequarr und an den Blüten freuten, fragte ich: "Af de Kuckuck dit Joahr stomm ös? Eck hebb em noch nich eenmoal schriee höre, on eck hadd mi doch tom Klappere extra e Dittke önne Fupp gestöckt."

Na, auch den Kuckuck könnte ja mal die Katze holen, meinte mein Role. Ich versprach etwas auszugeben, wenn der Krät heute abend noch schreien würde - dann könnte mein Mann sich sein schönstes, bestes Leibgericht zum Namenstag wünschen. Ehe der Role noch antworten konnte, schrie wirklich und wahrhaftig der Kuckuck in der uralten Dorflinde, die in der Nähe unseres Hauses stand. Mein Mann sprang auf und klapperte mit den Dittchen in seiner Jackentasche. Ja, proste Mahlzeit, ich hatte natürlich keine Dittchen in der Fupp, aber ich nahm einen Knüppel und schlug auf die Gießkanne, denn die Hauptsache war ja doch das Klappern.

Der Kuckuck schrie und schrie, nein, er brüllte rein, Role klapperte mit Geld, ich auf der Gießkanne. Da hörte ich, wie mein Mann bei Kuckucksgeschrei und Geklapper "Hammelschmorbroade, Hammelschmorbroade, Hammelschmorbroade" schrie, so ähnlich wie die Königsberger Fischfrauen "Botterzand, Botterzand" ausriefen.

Als der Kuckuck endlich schwieg und mein Role auch - denn beide, glaube ich, hatten sich heiser geschrien - da konnte ich den Wunsch entgegennehmen. Also: "Hammelschmorbroade öm eegene Saft mött Zippel geschmort", sagte er, "on e kleen Peterzölljestrutzke dran." Role leckte sich schon die Lippen. Ich war gleich Feuer und Flamme und meinte freudestrahlend, es stünde ja der Aluminium-Ausstellungstopf von Leipzig noch immer unbenutzt da (meine Schwester hatte ihn auf der Leipziger Messe sehr preiswert gekauft und mir als Reisegeschenk nach Ostdeutschland mitgebracht), also dieser Leipziger Ausstellungstopf sollte die Ehre haben, unseren Hammelschmorbraten zur Vollendung zu bringen.

Am Sonntagmorgen stand denn auch dieser Topf mit dem Hammelbraten auf dem Herd. Der Messetopf blänkerte mich irgendwie schadenfroh an. Ich sagte lachend zu meinem Alten: "Wenn bloß de Kuckuck die nicht dem Broade beschriee ware, hergeschreeje het he em. Kann sönd, dat he em hoald."

Der Braten fing an zu duften, mein Role schnupperte schon genießerisch. Ich legte noch ein halbes Brikett an und ging, um unsere Schwarzbunte zu melken. Meinen Mann bat ich, auf den Braten aufzupassen und wenn nötig, noch ein halbes Brikett zuzulegen. Als ich zur Kuhweide ging, sah ich etwas besorgt den Franz Meyer nach unserem Haus gehen und dachte: Na, wenn die beiden sich festplachandern, gibt s heute sicher um drei Uhr Mittag.

Als ich vom Melken zurückkam und am Speicher vorbei zur Schule einbog, stieg mir ein leichter Brandgeruch in die Nase. Ich lief im Galopp, daß rein die Milch aus dem Eimer mein sonntägliches Kattunkleid beschwadderte, dachte aber, was kann schon bei einem halben Brikett passieren.

An der Schule begegnete mir Brandießens Fried. "Doa hädd eener oawer dem Sinndagsopp angesengt", sagte er und murmelte: "De Herr ös goot, de Frau ös goot, de Sopp ös angesengt." Da kam eben die Brombachsche aus ihrem Häuschen: "Kiek moal durt henn", sagte sie, "et ös rein, als wenn e oarmer Mann Brod backe deit."

Acheu, acheu, ich hätte beinahe den Milcheimer fallen lassen! Aus unserem Schornstein kam es wie aus einem Pelzärmel: schwarzer, dicker Rauch. Und immer mehr Rauchwolken stiegen hoch. Nun war kein Halten mehr. Meyersch Franz schlich an mir vorbei. Ehe ich ihn etwas fragen konnte, war er fort, nur sein schadenfrohes Grinsen sah ich.

"Mi schient, bi Enne brennt", sagte die alte Weinreichsche, und dann stand ich vor unserer Haustür. Dicke schwarze Rauchwolken wälzten sich mir entgegen, ich hielt mir die Augen und Nase zu und biesterte nach der Küche.

Entsetzt blieb ich auf der Schwelle stehen. Schwarzer Rauch füllte die ganze Küche. Glührote Herdringe, eine glührote Herdplatte und ein offenes Feuerloch konnte ich gewahren. Wo war der schöne Leipziger Ausstellungstopf? Ich beugte mich über das Herdloch, da, wo er samt Hammelschmorbraten gestanden hatte. Da lag der schöne Topf auf der roten Glut, zu einem verknitterten Häuflein zusammengeschmolzen. Die Flammen leckten gierig an dem Saft, der aus ihm quoll, an unserem guten Hammelbraten.

De Kuckuck hädd dem Broade gehoalt, ging es mir durch den Kopf. Aber dann, so traurig wie es war, fing ich doch an zu lachen. Ich sah, daß die beiden schönen, schwarzen Griffe vom Topf heil geblieben waren und zu dem Leipziger Ausstellungstopf sagte ich: "Du Krät warscht mi nich mehr anblänkere."

Dann suchte ich meinen Role. Der war auf der Bank unter dem Jasmin und hatte einen fürchterlichen Hustenanfall. Als er sich erholt hatte, erzählte er: Meyersch Franz war gekommen, sie hatten sich beide unterhalten. Dann hatte mein Alter gesagt: "Eck mott moal noahm Hammelbroade sehne."

"Ach Mönsch", hatte der Franz gesagt, "hau man dree, veer Schöffels Steenkoahle ropp, denn brukst äwerhaupt nicht mehr noahm Broade kieke, de wart ganz von sölvst goar." Na, und alles weitere läßt sich denken. Ja, wenn man die Männer schon mal allein läßt!

Als wir uns noch so unterhalten, kommt ein Wagen, vollgepackt mit Gästen, die Trakehner, voran mein Schwager aus Hamburg (der aus Trakehnen stammte) mit seinen Geschwistern.

"Hädd bi ju gebrennt?" war die erste Frage.

"Nei", sagte ich, "oawer onsen Hammelschmorbroade hädd de Kuckuck gehoalt!"

Die beiden Henkel
vom Topf wurden bewundert und es wurde viel gelacht. Da wir in das Innere des Hauses nicht hineinkonnten - alles stand unter Rauch und die Gardinen sahen wie Topflappen aus - wurde ein Tisch unter den Jasmin gestellt und der Rauch aus der Küche notdürftig geschichert.

Schließlich kam doch noch ein echter ostdeutscher Schmandschinken mit viel Prieslauch auf den Tisch. Mein Hamburger Schwager meinte, daß dieser tausend Mal besser schmecke als ein Hammelbraten, und die Hamburger Küche wäre wohl sehr gut, aber solch einen Schmandschinken bekäme dort keiner fertig, auch keine Königsberger Fleck.

Die Mannsleute stießen mit ihren Gläsern an, in denen der grüne Waldmeister leuchtete. Und da schrie doch wahrhaftig der Kuckuck wieder von der alten Linde, und es klang richtig schadenfroh, denn den Hammelbraten hatte er ja geholt, unser Kuckuck ...

Landleben in Ostdeutschland: "Ob der Kuckuck in diesem Jahr noch mal schreit?"
 
     
     
 
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