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Altgewordene Rebellen

 
     
 
Es ist die Nacht zu Beginn des neuen Millenniums, als der 60jährige Martin der Tochter seines mittlerweile verstorbenen besten Freundes "Treize" über seine Vergangenheit berichtet. Die beiden sitzen nebeneinander in Martins altem Auto und fahren auf dem Autobahnring um Paris, während die junge Frau namens Marie seinen Geschichten lauscht. Martin berichtet ihr, wie er und ihr Vater in jungen Jahren als Mitglieder einer radikalen linken Gruppe die Welt und die Gesellschaft verändern wollten.

"... es war aber auch der Grund, daß ihr so waghalsig und euch so leidenschaftlich sicher wart, daß die Welt eines Tages, vielleicht nicht in allernächster Zukunft, aber auch nicht in allzu weiter Ferne, wie neu erschaffen sein würde, von Fatalitäten, von den alten schändlichen Siegeln der Ungleichheit und der Mißachtung befreit, und daß es dann wie zu Zeiten der großen Vorfah- ren nichts anderes bedürfe als Kühnheit ..."

Martin gewährt Marie einen Einblick in die zum Teil recht abenteuerlich anmutenden Geschichten, die er als junger Mann im Untergrund erlebte. Er erzählt von den vielen bizarren Personen, denen er damals begegnete und der Naivität seiner Mitstreiter und seiner selbst, da sie tatsächlich glaubten, die so glorreichen Werte und Ideale der Vergangenheit wieder heraufbeschwören zu können, um sie auf die Gegenwart zu übertragen.

Er benennt den Irrglauben der Rebellen, den Kapitalismus stürzen zu können, und berichtet von Visionen, die Auslöser einer unglaublichen Energie waren, die sich in der Rebellion manifestierte.

Doch während der 60jährige unaufhörlich auf die junge Marie einredet, wird er sich angesichts ihrer Jugend schmerzlich seines eignen Alters und der Veränderungen, die er und all seine damaligen Kollegen durchlebt haben, bewußt.

"Ihr bleibt für alle Zeiten füreinander, was ihr früher zusammen gewesen seid, junge, fiebrige, intolerante, asketische Leute, und die Zeit hat euch unmerklich in Schläuche aus alter Haut eingesperrt. Und ihr macht Sackhüpfen darin, Komik
er, dem Tod entgegen."

Mit Erschrecken muß Martin erkennen, daß sich nahezu alle seine einst so "jungen und euphorischen Freunde" mittlerweile als alternde Erwachsene in der Gesellschaft etabliert haben und somit genau zu dem geworden sind, was sie in ihrer Jugend als so inakzeptabel aburteilten.

"Die Papiertiger von Paris" ist ein anspruchsvoller, ungeschminkter Roman über die fehlgeleitete Protestgeneration von 1968, dessen Autor selbst jahrelang im Untergrund tätig war.

Olivier Rolin: "Die Papiertiger von Paris", Karl Blessing Verlag, München 2003, geb., 256 Seiten, 20 Euro
 
     
     
 
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