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Auf Reisen: Der Genosse der Bosse

 
     
 
Bundeskanzler Schröder ist wieder in der deutschen Wirklichkeit angekommen. Zwar war er auf seiner Lateinamerika-Reise jederzeit über die Vorkommnisse und Verhältnisse zu Hause unterrichtet, aber das Ambiente war ein anderes: Er war umworben als Chef einer großen Nation. Und er konnte den ihn begleitenden deutschen Wirtschaftskapitänen zeigen, daß er immer noch der Genosse der Bosse ist. Freilich hätten auch andere Kanzler versucht, Großgeschäfte
für deutsche Firmen an Land zu ziehen. Aber als Vermittler, als Konsensgestalter hat er Fähigkeiten, die ihm als konkreter Helfer abgehen. Er kam de facto mit leeren Taschen, als Bittsteller für Geschäfte.

Das wußten seine Gesprächspartner. Umso deutlicher fielen deren politische Erwartungen aus. In Buenos Aires hofft man, daß Schröder seinen Landsmann Köhler an der Spitze des IWF zum Wohlwollen gegenüber dem Chaos in Argentinien drängt. Schröder versprach es, internationale Finanzhilfe sei für das zahlungsunfähige Land „unerläßlich“. In der Tat, die Bedienung der Auslandsschulden in Höhe von 141 Milliarden Dollar hat Argentinien bereits eingestellt, 15 der insgesamt 37 Millionen Argentinier leben unterhalb der Armutsgrenze, das Land ist pleite.

„Freunde erkennt man in der Not“, sagte Schröder und fügte hinzu, bilaterale Hilfe werde es nicht geben können. Der Freund ist offenbar selber in Not. Umso mehr erwartet Buenos Aires jetzt Druck Berlins auf den IWF. In Mexiko dagegen will man das deutsche Gewicht in der EU in die Waagschale des Freihandels geworfen sehen, damit die Europäer die Subventionen vor allem im Agrarsektor abbauen. Das dürfte schwierig werden, denn hier hätte Berlin Frankreich und Spanien gegen sich.

Deutschland wird in Lateinamerika schon immer hoch gehandelt. Das liegt zum einen daran, daß die Deutschen trotz eines geringen Engagements in den letzten zehn Jahren dennoch präsent waren. In den Branchen Pharma, Elektro und Autos sind sie nicht zu übersehen. Aber diese Präsenz führt auch zu einer Überschätzung. Darin liegt das Risiko für Schröder. Wie üblich überbrückt man solche Widersprüche mit Verheißungen über die gemeinsame kulturelle Zukunft. Auf diesem Gebiet kann man immer gefahrlos Abkommen schmieden. Und auch beim Kampf gegen den Terrorismus kann man in der zweiten oder dritten Reihe immer gut im Gleichschritt marschieren. Hinzu kommt aber noch die spanische und amerikanische Konkurrenz. Spanien hat einen natürlichen Vorteil, die Hispanidad. Sprache, Geschichte und Kultur des Subkontinents führen zunächst nach Iberien. Da kann Deutschland nicht mithalten. Die USA haben zudem noch den Standortvorteil der unmittelbaren Nachbarschaft und des großen Marktes.

Die größte Erwartung allerdings betrifft Europa selbst. Die Europäer predigen weltweit den freien Handel, wenn es aber um die eigenen Agrarsubventionen geht, bleiben sie merkwürdig stumm. Hier besteht - übrigens auch wegen der Osterweiterung -- dringender Handlungsbedarf.

 
     
     
 
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