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Ausreden

 
     
 
Einen besseren Einstand hätte Marcel Reich-Ranicki sich für die erste Ausgabe seines neuen literarischen ein-Mann-Quartetts kaum erträumen können: eine Auseinandersetzung mit einem neuen Werk von Günter Grass. Klarer Punktsieger: Reich-Ranicki. Denn er beließ es nicht beim Lob dafür, daß Grass nun endlich das Thema „Flucht und Vertreibung
“ aufgegriffen hat, sondern bohrte tiefer, indem er kritisch fragte, warum eigentlich erst jetzt die Zeit dafür reif sein soll.

In der Tat: Die Behauptung, die Zeit sei früher noch nicht reif gewesen, ist eine faule Ausrede. Warum soll die Zeit nicht auch schon vor zehn, zwanzig oder dreißig Jahren für diese Thematik reif gewesen sein? Die jahrzehntelange Tabuisierung - und parallel dazu die Verteufelung aller, die sich dem nicht beugten, zum Beispiel die Vertriebenenverbände - war ausschließlich politisch und ideologisch begründet. Wer als Künstler oder Intellektueller Enteignung, Vertreibung und Ermordung von Millionen Menschen aufarbeiten wollte, für den war die Zeit immer schon reif - seit 1945.

Gut daß auch Günter Grass nun endlich dieses Tabu gebrochen hat. Gut aber auch, daß Marcel Reich-Ranicki ihn daran erinnerte, daß er selbst einst am Aufbau dieses Tabus kräftig mitgewirkt hatte. Nina Schulte

 
     
     
 
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