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DGB - der Koloss wankt

 
     
 
Deutschlands Justiz ist wohl doch noch nicht ganz so gleichgeschaltet, wie sich das die Propagandisten des großen "Marschs durch die Institutionen" gewünscht hätten. So überraschte ein Frankfurter Gericht jetzt mit einem Urteil, das von der Linken prompt als "gewerkschaftsfeindlich", von den verbliebenen Nicht-Linken in diesem Lande hingegen als ausgesprochen vernünftig empfunden wurde: Es verbot der Lokomotivführer-Gewerkschaft zu streiken.

Auf den ersten Blick mag sich das als höchstrichterlicher Anschlag auf das Grundgesetz
darstellen. Immerhin genießt der Streik als legale Waffe im Arbeitskampf Verfassungsrang; seine besondere Schutzbedürftigkeit ergibt sich schon daraus, daß die Arbeitnehmerseite im Tarifstreit über kein anderes Druckmittel verfügt.

Dies ist die schöne Verfassungstheorie, die aber leider mit der Wirklichkeit nicht mehr viel gemein hat. Auf dem Papier stehen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer mit gleichwertigen Waffen gegenüber: Die einen dürfen streiken, die anderen aussperren. Tatsächlich aber ist in Deutschland längst ein Klima entstanden, das von Waffengleichheit weit entfernt ist. Der streikende (oder mit Streik drohende) Gewerkschafter darf sich zu den "Anständigen" zählen, während ein auch nur halblaut über Aussperrung nachdenkender Unternehmer bereits als Krimineller gilt.

Zudem haben wir in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland eine merkwürdige - und merkwürdigerweise in der veröffentlichten Meinung kaum registrierte - Entwicklung erlebt. Im Vergleich zu fast allen unserer europäischen Nachbarn wird bei uns nur höchst selten gestreikt und noch seltener ausgesperrt. Statt dessen erleben wir eine total einseitige Ausrichtung des Arbeitskampfes: Während die Tarifpartner verhandeln, greift die eine Seite bereits zur Waffe und schlägt zu - "Warnstreik" heißt die vornehme Umschreibung dieser weder durch das Arbeits- und Tarifrecht noch durch das Grundgesetz abgesegneten Kampfmethode. Friedenspflicht? Urab- stimmung? Nein, danke! Gewerkschaftsfunktionäre setzen ihr eigenes Recht. Dahinter stehen die gleichen Denkstrukturen, wie wenn uns weisgemacht wird, Steine werfende Chaoten seien "Demonstranten", die nur von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machten.

Das Urteil, mit dem die Lokführer-Gewerkschaft in die Schranken verwiesen wurde, berechtigt zu - wenn auch bescheidenen - Hoffnungen. Endlich wagt es ein Gericht, dem Allmacht-Anspruch der Gewerkschaften zu widersprechen. Ein Anspruch übrigens, der auch aus einem ganz anderen Grund längst verwirkt wäre, wenn er denn je eine Berechtigung gehabt hätte: Den Gewerkschaften, insbesondere den im DGB zusammengefaßten, laufen die Mitglieder in Scharen davon. Immer mehr Arbeitnehmer fühlen sich von diesen Funktionären nicht vertreten. Und während dem wankenden Koloß DGB auf der einen Seite die Basis abhanden kommt, geht auf der anderen Seite die politische Protektion durch die SPD-Genossen verloren. Die Gewerkschaften müssen einiges tun, um zukunftstauglich zu werden - im Interesse des Gemeinwesens.
 
     
     
 
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