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Dacia Maraini - Gefrorene Träume

 
     
 
Ein Familienstammbaum hat viele Zweige und manchmal noch mehr Verästelungen. Und an jedem kleinen Ast hängt ein Menschenleben, ein Schicksal, eine Geschichte. Die Italienerin Dacia Maraini erzählt in ihrem Roman "Gefrorene Träume" von Zaira, einer Frau, die trotz eines schweren Lebens nie verbittert geworden ist. Als jedoch plötzlich ihre geliebte Enkeltochter Colomba wie vom Erdboden verschluckt scheint, ist sie es leid, alles immer nur stillschweigend hinzunehmen und begehrt gegen das Schicksal auf.

Eines morgens, Zaira war nichts ahnend in ihre Küche gekommen, stand nur noch der Kaffee
becher ihrer Enkeltochter auf dem Tisch, doch von dem Mädchen war keine Spur. Von diesem Tag an hat Zaira keine ruhige Minute mehr. Tag für Tag macht sie sich mit dem Fahrrad auf in die Wälder. Und auch, als alle anderen ihre Enkelin längst aufgegeben haben, begibt sie sich weiterhin an jedem neuen Morgen auf die Suche.

",Ich glaube, sie ist tot, es hat keinen Zweck, weiter nach ihr zu suchen. Alle halten dich für ein bißchen verrückt, weil du suchst, was es nicht gibt. ,Also zum einen haben wir es nicht mit einer Sache zu tun, sondern mit einem Menschen, und außerdem, wer sagt denn, daß sie tot ist? Bisher wurde noch keine Leiche gefunden, oder? "

Während Zaira auf ihrem Rad den Wald erkundet, lernt der Leser ihre Familiengeschichte kennen. Er erfährt von der Hure Pina, die im Freudenhaus ihren Sohn Pitrucci zur Welt brachte, Zairas Vater, dessen Vater ohne je von seinem Sohn zu erfahren, im Ersten Weltkrieg Krieg durch einen Gewehrschuß getötet wurde.

Wie ein roter Faden ziehen sich ungewollte Schwangerschaften durch Zairas Familiengeschichte. So war weder Zaira ein gewolltes Kind noch deren Tochter Angelica, die sich in den wilden 60ern in ihren Lehrer verliebte und aufgrund von Alkohol und gebrochenem Herzen den Tod fand.

"Mit 18 Jahren war Zaira schon groß und kräftig, wenn auch noch recht scheu. Doch mit der Keckheit der Schüchternen erklärte sie ihrem Vater, daß sie nicht beabsichtige, im Dorf zu bleiben. Sie wollte in die Stadt, um zu studieren ... In Florenz wohnte sie im Arbeiterviertel San Frediano in einer Pension mit dem romantischen Namen Rêverie, das französische Wort für Träumerei." Von ihrem Zimmer aus, lauschte sie den Klavierklängen eines jungen Pianisten und, wie hätte es anders sein können, verliebte sich in den schönen begabten jungen Mann, der ihr einerseits so nah und andererseits so fern wie der Mond war.

In "Gefrorene Träume" nimmt der Leser teil an Zairas Leben, er erlebt mit, wie Wünsche wie Seifenblasen zerplatzen, Liebe an Problemen zerbricht und Träume zu Eis gefrieren ... und am Ende gibt Zaira alles, was ihr geblieben ist, um einen Hinweis auf den Verbleib ihrer Enkelin zu erhalten.

Ein wunderschöner Roman, der unter die Haut geht und dessen facettenreiche Vielfalt an Erzählungen den Leser tief berührt.

Dacia Maraini: "Gefrorene Träume", Piper, München 2006, geb., 448 Seiten, 22,90 Euro

 
     
     
 
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