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Das Drama von B 152: Ein Superjet aus Dresden

 
     
 
Der erste öffentliche Flug, ein Propagandaflug Ulbrichts, sollte Chruschtschow schockieren, wie der "Sputnik" die Welt kurze Zeit zuvor Geleitet von Funkstellen des Ministeriums für Staatssicherheit und ohne offiziell Genehmigung der zuständigen Prüfstelle machte sich ein vierstrahlige Düsenpassagierflugzeug zum Direktflug vom Flugplatz Dresden-Klotzsche auf, um in nur 10 Metern Höhe das Leipziger Messegelände zu überfliegen, exakt zum Staatsrundgang vo Chruschtschow und Ulbricht. Schlagzeilen der international
en Presse für de "Superjet aus Dresden" wären sicher gewesen, aber auch Stolz und Enthusiasmu der Dresdner Flugzeugbauer spielten eine wichtige Rolle, die wenige Jahre zuvor als verschleppte "Spezialisten" in Stalins geheimen Konstruktionsbüros ih technisches Wissen den Sowjets übereignen mußten.

Doch der Flug der "152" vor 40 Jahren war ohne Aufwind und endete mit eine Tragödie. Bis heute ist unklar, ob Moskaus KGB-Agenten halfen, den Traum eine eigenständigen Flugzeugindustrie "Made in GDR" scheitern zu lassen ode ausschließlich eine unverantwortbare Fehlentscheidung zum Unglück führte.

Die Geschichte der "B 152" begann mit der Entwicklung de Düsenstrahlantriebs, einer Erfindung von Hans-Joachim Pabst von Ohain, Mitte der 30e Jahre in Deutschland.

Es war im ersten Morgenlicht des 27. August 1939, als in Rostock-Marieneh Heinkel-Testpilot Erich Warsitz, der kurz zuvor das erste Raketenflugzeug der Welt, die He 176, geflogen hatte, sich in seiner He 178 anschnallte und auf da Startkommando wartete. Das Triebwerk wurde angelassen, und mit zunehmender Drehzahl gin das Singen der Turbine in ein wildes Heulen über. Dann begann die He 178 V1 zu rollen, fraß Meter für Meter und hob kurz vor dem Platzende elegant vom Boden ab. Da Flugverhalten war ausgezeichnet, das Triebwerk HeS 3B von Pabst von Ohain arbeitet gleichmäßig und zuverlässig. 600 km pro Stunde Fluggeschwindigkeit wurden erreicht. Al Warsitz nach sechs Flugminuten wieder zur Landung einschwebte, war allen klar, daß mi diesem Flug eine neue Zeit in der Geschichte der Luftfahrt begann.

Den Kernpunkt bildeten die neuentwickelten Turbinenstrahltriebwerke Jumo-004 konstruiert von Anselm Franz bei Junkers in Magdeburg, und das BMW-003. Ausgelegt fü zwei Turbinen baute Heinkel bereits 1941 den ersten Strahljäger, die He 280. Doc Heinkel gehörte nicht zu den Favoriten des Reichsluftfahrtministeriums für staatlich Entwicklungsaufträge. Bei Junkers begann dagegen die Nullserienfertigung des Jumo-004 in Muldenstein bei Bitterfeld. Ferdinand Brandner, Konstrukteur des stärkste Junkers-Propellermotors Jumo 222, wurde Betriebsleiter der Jumo-004-Serienfertigung un -Fehleranalyse. Mitte 1944 ging mit der Me 262, ausgestattet mit zwe Jumo-004B-Triebwerken, der erste Düsenjäger der Welt in Serie, von dem Fliegergenera Galland sagte, er fliege, "wie wenn ein Engel schiebt!"

Die Fehlentscheidung Hitlers, die Me 262 als Bomber einzusetzen, führte be Junkers in Dessau zur Konstruktion des mit vier Jumo-004 ausgestatteten erste Großstrahlbombers der Welt, der Ju 287. Noch kurz vor Kriegsende lie Junkers-Chefkonstrukteur Brunolf Baade die Nullserie der Ju 287 anlaufen und die ersten Maschinen in Brandis bei Leipzig zum Probeflug bringen. Noch waren die Deutsche weltweit in der Düsenentwicklung führend.

Nachdem Moskau im Juli 1945 die zuvor von Amerikanern und Briten besetzten Gebiet Mitteldeutschlands übernahm, bedienten sich die Sowjets vielerorts eine Täuschungsmanövers. Entgegen den Festlegungen des Potsdamer Abkommens ließen sie in wichtigen Rüstungsbetrieben, auch bei Junkers in Dessau, die Entwicklungs- un Rekonstruktionsarbeiten, auch eine gezielte Produktion, fast anderthalb Jahr weiterführen. Dieser Umstand führte dazu, daß zahlreiche deutsche Mitarbeiter ihr bisherige Tätigkeit fortsetzten, an eine neue Zukunft glaubten und wegen de Ost-West-Klimas eine privilegierte Weiterarbeit an unvollendeten Projekten auc akzeptierten.

In Dessau wurde das für die Sowjets wichtigste Konstruktionsbüro der Sowjetzone (SBZ für Flugzeuge und Flugmotoren mit der Bezeichnung OKB-1 eingerichtet. Sämtliche Arbeite erfolgten weiter mit deutschen Mitarbeitern unter Chefkonstrukteur Alfred Scheibe. I Staßfurt lief in 400 Meter Tiefe die Produktion der BMW-Strahltriebwerke unte Chefkonstrukteur Karl Prestel erneut an, oberirdisch entstanden völlig neue Prüfstände und auf der Erprobungsstelle der Luftwaffe in Rechlin erbeuteten die Sowjets unversehr einen Düsenbomber vom Typ Ju 287, welcher umgehend in die UdSSR geschafft wurde. A 1946 lief bereits in Tschernikowsk am Ural, im aus Köthen demontierten Junkerts-Werk, die Verbesserung des Jumo 004, kurz darauf in Uprawlentscheski Gorodok bei Kuibyschew die Weiterentwicklung leistungsfähiger Propellertriebwerke unter Ferdinand Brandner, welche die Sowjets bereits im Juli 1945 nach Osten verschleppt und inhaftiert hatten.

Wie überall in der SBZ endeten sämtliche Arbeiten am 22. Oktober 1946, als in eine Nacht- und Nebelaktion des Geheimdienstes NKWD auch die deutschen Luftfahrt-Fachleute etwa 5000 Techniker und ihre Familien, in die Sowjetunion verschleppt wurden. In Moskau Podberesje, Sawjelowo, Kasan, Tuschino, Monino und Godorok bei Kuibyschew waren geheim Konstruktionsbüros, Arbeitsgruppen und Wohnobjekte für die deutschen Spezialiste entstanden, gebaut von deutschen Kriegsgefangenen. Nach Uprawlentscheski wurden die Flugmotoren-Konstruktionsbüros aus Dessau und Staßfurt verlagert, die nachfolgend unte Leitung von Ferdinand Brandner standen, die Flugzeugfertigung nach Podberesje bei Moska unter Leitung von Brunolf Baade.

In Podberesje begannen die Flugzeugbauer von Junkers, Siebel und Heinkel mit de Weiterentwicklung von Aufklärungs- und Bombenflugzeugen mit Strahlantrieb sowie mit de Konstruktion und Weiterentwicklung von Raketenjägern.

Aus dem deutschen Pfeilflügler Messerschmitt P 1101 und in indirekter Vorarbei durch Siegfried Günther, ehemals Chefprojektor bei Heinkel, nun Planungschef fü Düsenjäger bei den Sowjets, wurde die MiG 15 geboren, die in ihrer Konstruktio große Ähnlichkeit mit der amerikanischen F-86 A Sabre hatte, die ebenfalls nach de P 1101 entstanden war. Kein Wunder, daß sich im Korea-Krieg annähernd baugleich Maschinen im Luftkampf begegneten.

Doch nun sollte ein neuer Weg beschritten werden: Die Konstruktion eines Düsenbomber und die Generation neuer Strahltriebwerke, welche völlig neu erdacht werden sollten, da Projekt "150", geplant als Tu-15. Pfeilflügel, Druckkabine, neue Strahlturbine sowie ein modernes Design bestimmten das Flugzeug. Im September 1952 begannen die Flugerprobungen der "150", die Erfahrungen der Deutschen gingen direkt in da Sowjetprojekt Tu-16.

Ab 1953 wurde in Sawjelowo, nördlich von Moskau, eine deutsche Gruppe unter Baad zusammengezogen, die auf der Grundlage des Bombers "150" mit der Projektierun eines Strahlverkehrsflugzeuges, dem Projekt "151", begann. Hauptaufgabe war die Entwicklung der späteren Strahlturbine "Pirna-014", deren Vorläufer bereit bei Junkers unter der Bezeichnung Jumo-012 gebaut und von den Deutschen bei den Sowjet verbessert worden war. Auch entstanden Studien für den Bau von Hoch- un Niedergeschwindigkeitswindkanälen für die Flugzeugzellen-Serienfertigung un Triebwerksherstellung. In Dresden und Pirna, dem neuen Standort der künftige Flugzeugfertigung der DDR-Lufthansa, bereitete Brunolf Baade im Frühjahr 1954 die Rückkehr "seiner" Mitarbeiter vor, und im Juli 1954 kehrten die Luftfahrt-Spezialisten zurück. Während Ferdinand Brandner nach neun Jahren Zwangsarbei seine Heimat in Österreich wiedersah, gründete Dr. Baade das "Volkseigen Flugzeugwerk" in Dresden. Zu den Rückführungsgütern von den Sowjets gehörten auc Maschinen und Konstruktionsunterlagen für das zweimotorige Verkehrsflugzeug IL-14P welches ab 1956 in Dresden als Lizenzprodukt in Serie ging. Voller Enthusiasmus wollte Brunolf Baade und Chefkonstrukteur Fritz Freytag in Dresden "die große Tradition de Hauses Junkers fortsetzen".

In Dresden sollte ab 1954 das erste vierstrahlige Düsenverkehrsflugzeug deutsche Produktion entstehen. Doch die noch bei den Sowjets erarbeiteten Projektunterlagen häl Moskau zurück. Zeitdruck ist die Folge. Nun wird ein Flugzeug zum zweiten Mal konstruiert, erhält die Bezeichnung "Baade B 152" ode "BB 152" und soll in Großserie produziert werden. Die Aussichten ware gut, denn Moskau läßt einen Kaufwunsch von 100 Maschinen mitteilen. Für den 1. Ma 1958, vier Jahre nach Grundsteinlegung der Dresdener Flugzeugwerke, soll der Erstflug de "B 152" stattfinden, doch Konstruktions- und Materialprobleme verhinderte dies. Stattdessen gab es ein "Roll out" der ersten "152" mi Triebwerksattrappen, und Professor Brunolf Baade beschrieb die Zukunft: "Di ,152‘ wird als äußerst schnelles Flugzeug für den Mittelstreckenverkehr daz berufen sein, den Verkehr zwischen Hauptstädten und Verkehrszentren durchzuführen. Die Maschine wird 48 bis 72 Passagiere bis zu 3000 Kilometer weit in einer Höhe von zehn bi zwölf Kilometern mit einer maximalen Reisegeschwindigkeit von 850 km/h befördern ... un mit der ,153‘ entsteht ein auf besonders hohe Wirtschaftlichkeit gezüchtete Mittelstreckenverkehrsflugzeug, ... auch als Transporter für wertvolle Güte geeignet." Die Hamburger "Welt" sprach von einem "Wirtschaftswunde aus Dresden".

Trotz eines Rückstandes von mehreren Monaten in der Entwicklung und weiterhi fehlender Verträge mit Moskau gab Baade sein Versprechen über eine grandios Luftfahrtzukunft an Ulbricht, überschätzte dabei die Lösung technischer Probleme, abe auch die Sichtweite Moskaus.

Am 4. Dezember 1958 war es schließlich soweit: Die "B 152", de Superjet aus Dresden, startete zum Erstflug und landete nach 25 Minuten Flug erfolgreic in Dresden-Klotzsche. Das Jahr 1959 sollte endgültig den Durchbruch für die Großfertigung der "152" bringen. Weitere Testflüge waren nötig, doch auch da internationale Interesse mußte auf Dresden gelenkt werden.

Entgegen jeglicher Logik und unter Umgehung der zuständigen Prüfstelle entschied sic Brunolf Baade zum Propagandaflug nach Leipzig. Der neue Flug am 4. März 1959 mit de Versuchspiloten Willi Lehmann und Kurt Bemme, Flugversuchsingenieur Georg Eismann un Bordingenieur Paul Heerling verlief zunächst einwandfrei. Nach 56 Minuten Flug, in überschnellen und unerprobten Sinkflug, gelang es der Besatzung jedoch nicht, die Maschine abzufangen und die Triebwerke zügig hochzufahren. Die Belastungsgrenzen vo Triebwerk, Tanks und Material waren der Crew nur unzureichend bekannt ... Die "B 152" schlug auf, die Besatzung war tot.

Aber die Entwicklung in Dresden endete nicht, noch nicht. Neue Testflüge verliefe erfolgreich, selbst die Folgetypen "154" und "160" für de interkontinentalen Luftverkehr der DDR-Lufthansa waren bereits in Angriff genommen. Doc dann stornierten die Sowjets im Juni 1959 völlig die Abnahme der "B 152" Nicht ohne Grund, denn seit einiger Zeit flog ihre Tu-104 als erstes sowjetische Verkehrsdüsenflugzeug, Abkömmling der militärischen Tu-16, und kurz darauf entspran aus dem Turboprop-Bomber Tu-20 die Zivilversion Tu-114.

Moskau hatte dem DDR-Flugzeugbau die wirtschaftliche Basis entzogen, und nach Weste war Ostberlin längst politisch isoliert. Am 28. Februar 1961 endete per Beschluß de SED-Politbüros das euphorische Flugzeugprogramm der DDR. Bereits vorhandene Flugzeug wurden verschrottet. Lediglich als museales Andenken erhielt 1991 das Deutsche Museum in München ein Triebwerk vom Typ Pirna-014.

In Erinnerung blieb aber auch die tödlich verunglückte Besatzung de "B 152", auf deren gemeinsamer Grabstätte noch heute zu lesen ist "Ihr Leben diente dem technischen Fortschritt."
 
     
     
 
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