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Den Bruder zum Feind

 
     
 
Der insbesondere an militärgeschichtlichen Themen interessierte Künstler Klaus Gröbig hat in der Reihe „Schiffe, Menschen, Schicksale“ ein neues Heft veröffentlicht, das diesmal den Hilfskreuzer und Handelsstörer der Konföderierten Staaten von Amerika (CSA) „Alabama“ zum Thema hat.

Gröbig holt weit aus. Als erstes stellt er die Nationalcharaktere der USA und der CSA gegenüber. Dann zeigt er die Diskrepanz auf zwischen den Kriegsgründen, welche die USA in ihrer Propaganda
anführten, und denen, die sie wirklich hatten. Der Autor macht in seiner kleinen Monographie kein Geheimnis daraus, für welche Seite sein Herz schlägt. Ganz offen ergreift er Partei, wenn er schreibt, daß CS-Präsident Davis „leider“ die Auswirkungen einer Seeblockade für die Konföderation in seiner Tragweite nicht rechtzeitig erkannt habe. Aus wissenschaftlicher Sicht ist das ein Fauxpas, aber zum einen wird die Reihe „Schiffe, Menschen, Schicksale“ kaum primär das Ziel verfolgen, wissenschaftlichen Ansprüchen zu genügen, denn dann gäbe es auch Fußnoten, und zweitens kann man es ja durchaus als sympathisch interpretieren, wenn ein Autor gegenüber seinen Lesern den eigenen Standpunkt klarstellt.

Nach dieser ausführlichen Einführung in den historischen Kontext wird die „Alabama“ vorgestellt. Bereits im Vorwort wird sie mit der deutschen „Seeadler“ des Grafen Luckner verglichen. Allerdings gibt es einen bemerkenswerten Unterschied. Wie wir dem Text entnehmen können, waren von den 192 Kriegsschiffen der US-Navy nur 13 stärker als die „Alabama“. Graf Luckner wäre sicher froh und dankbar gewesen, wenn er von der Royal Navy weniger als sieben Prozent hätte fürchten müssen. Überhaupt ist die „Alabama“ in mancher Hinsicht ein atypischer Hilfskreuzer. Gemeinhin sind Kriegsschiffe dieser Gattung in Friedenszeiten für friedliche Zwecke gebaute Fracht- oder Passagierschiffe, die zu Kriegszeiten nachträglich armiert werden. Bei der „Alabama“ war es etwas anders. Sie wurde von den CSA am 4. August 1861, also während des Krieges mit den USA, für militärische Zwecke in Großbritannien in Auftrag gegeben. Aufgrund der britischen Neutralität wurde sie jedoch von den Briten als ziviles, unbewaffnetes Schiff gebaut und nach der Übergabe an den Eigner außerhalb der britischen Hoheitsgewässer zum Kriegsschiff aufgerüstet.

Nach der Schilderung dieser ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte widmet sich Gröbig in chronologischer Reihenfolge den diversen Kaperfahrten des Schiffes unter seinem Kapitän Raphael Semmes und den vielen Prisen. 1864 schließlich befand sich die „Alabama“ im Hafen von Cherbourg in einer in mancher Hinsicht ähnlichen Situation wie 1939 die „Admiral Graf Spee“ im Hafen von Montevideo. Sie hatte den Hafen für Reparaturarbeiten angelaufen und vor der zumindest formal neutralen Hafenstadt lauerte der Feind. Im Gegensatz zum Kommandanten der „Spee“ entschied sich Semmes für den Kampf.

Auf den Kriegsausgang hatte dieser Kampf zur See keinen Einfluß mehr. Die Angelsachsen im allgemeinen und die Vereinigten Staaten von Amerika im besonderen neigen in ihrer Propaganda dazu, ihre Gegner als Inkarnation des Bösen zu verunglimpfen. Von daher kommt es bei ihnen auch immer wieder in den Kriegen der USA zu Übergriffen auf Kriegsgefangene oder Internierte - vor allem dann, wenn sie den Gegner besiegt haben und Vergeltungsmaßnahmen von dessen Seite nicht mehr zu fürchten brauchen. Insofern ist es gut, daß Gröbig in seiner kleinen Arbeit schildert, wie es Semmes nach dem Krieg weiter erging.

Anders als bei ihren anderen Kriegen standen die USA nach dem Waffengang mit den Konföderierten vor dem Problem, daß sie fortan mit den Besiegten in einem Staate lebten und die Staatsräson es deshalb gebot, diese zumindest langfristig zu integrieren. Vor diesem Hintergrund ist es gut, daß Gröbig zum Schluß seiner Arbeit auf die Frage eingeht, wie die USA im allgemeinen und die US-Navy im besonderen bis zum heutigen Tage mit dem Erbe der „Alabama“ und ihres Kapitäns Raphael Semmes umgehen. A. Liedfeger

Klaus Gröbig: „Hilfskreuzer CSS ,Alabama‘“ (Schiffe Menschen Schicksale, Nr. 148), SMS-Verlag, Kiel 2006, 45 S., 4,90 Euro 5686
 
     
     
 
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