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Der Mann mit den drei Liebschaften

 
     
 
Es hatte etwas von einem Familientreffen, als sich am 18. Februar im Bürgermeistersaal des ehrwürdigen Hamburger Rathauses Literaturfreunde zusammenfanden, um an der Ehrung eines Mannes teilzunehmen, der von Hanseaten und Quiddjes, also Zugereisten, gleichermaßen geschätzt wird. Arno Surminski, geboren 1934 im ostdeutschen Jäglack, Kreis Rastenburg
, sollte vom Hamburger Senat die Biermann-Ratjen-Medaille, die höchste Auszeichnung der Hansestadt für Leistungen in Kunst und Wissenschaft, erhalten. Unter den zahlreich erschienenen Gästen konnte man Siegfried Lenz samt Gattin, Rosemarie Fiedler-Winter, die Ehrenvorsitzende der Hamburger Autorenvereinigung, und Helge Adolphsen, Hauptpastor an St. Michaelis, entdecken.

In ihrer Begrüßungsansprache ging Kultursenatorin Dana Horáková auf den 200. Todestag des Philosophen Immanuel Kant ein und hob die geistige Verwandtschaft zwischen dem Königsberger Kant und Arno Surmin-ski hervor, eine geistige Verwandtschaft, die in der gemeinsamen Heimat im Osten begründet liege. Während Kant zeit seines Lebens in Königsberg geblieben sei, sei es Surminski allerdings nicht beschieden gewesen, in dem kleinen Dorf Jäglack zu bleiben. Der Krieg habe ihn gezwungen, in die Fremde zu gehen. Seine Heimat aber habe er mit sich getragen bis nach Hamburg. Dort habe er zu einer Sprache gefunden, die jeden an seine eigene Heimat erinnere. Surminski habe gegen das Vergessen geschrieben, habe immer wieder an ganz kleine, banale Dinge des Lebens erinnert und so ein Stück Heimat für alle gerettet. Der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg ehre mit Arno Surminski einmal den beliebten Schriftsteller, aber auch den Menschen, der sich in seiner Freizeit für andere Schriftsteller einsetze, so in der Freien Akademie der Künste oder in der Hamburger Autorenvereinigung.

Peter Striebeck, Schauspieler, Regisseur und langjähriger Freund des Geehrten, hob in seiner Laudatio die Verdienste des Schriftstellers hervor. Die Auszeichnung sei eine verdiente Anerkennung eines reichen Schaffens und ein sichtbarer Ausdruck der Wertschätzung, die Surminski nicht nur in Hamburg entgegengebracht werde. Kultur sei Nahrung für die Seele und spiegele nicht zuletzt auch den Zustand der Gesellschaft wider.

Striebeck, der 2001 Surminskis Erstling "Jokehnen oder Wie lange fährt man von Ostdeutschland nach Deutschland?" (Ullstein Hörverlag) auf Kassette gelesen hatte, ließ an eben diesem Roman das Leben des Ostdeutschland Revue passieren. Viele Erinnerungen an die Kindheit habe man gemeinsam, sagte Striebeck, der ebenfalls Flucht und Kriegselend als Kind habe erleben müssen, allerdings behütet von einer Mutter, während Surminski bereits als Zehnjähriger seine Eltern verloren habe. "Jokehnen" sei einerseits eine Spurensuche nach den kleinen Dingen, die das Leben lebenswert machten, andererseits aber auch ein Lehrstück über das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte. Unsentimental und nicht moralisierend zeige Surminski auf, wie es habe geschehen können, daß Deutschland in Barbarei verfallen sei. Die Menschen "machten nicht, es wurde mit ihnen gemacht ..." - "Er beschönigt nichts, entschuldigt nichts, vielmehr ist es eine Geste der Versöhnung mit unserer Geschichte."

"Jokehnen", "Polninken", "Grunowen" - Titel der Ostdeutschland-Trilogie, aber auch "Fremdes Land", den Roman über Kanada, wo Surminski zwei Jahre lang als Holzfäller und Tellerwäscher lebte, oder "Kein schöner Land", den Roman der Wendezeit, und "Sommer 44", den Roman über die Zerstörung Königsbergs, nannte Peter Striebeck als Wegmarken in einem reichen Schriftstellerleben. Zum 70. Geburtstag, den Surminski im August begehen kann, sei ein neuer Roman in Vorbereitung. Eine Ankündigung, die von den Zuhörern mit großem Beifall begrüßt wurde und die der Schriftsteller in seinen Dankesworten noch bestätigte.

Mit dem leisen Humor, den seine Leser so sehr bei ihm schätzen, fand Surminski dann auch die Worte, sich für die hohe Auszeichnung zu bedanken. Er habe, das sei ihm gestattet zu sagen, neben Hamburg, wo er bisher 42 Jahre seines Lebens verbracht habe, noch andere "Liebschaften", einmal das Land zwischen den Meeren, Schleswig-Holstein, wo er nach dem Krieg Aufnahme gefunden hatte, und natürlich Ostdeutschland. Besonders freue ihn die Aufnahme Polens in die EU, das sei wie eine Rückkehr seiner Heimat nach Europa, und er hoffe, daß auch der "Rest" eines Tages dazugehöre, "damit wir alle Europäer werden".

Als die Flüchtlinge nach dem Krieg in den Westen kamen, hätten sie eines mit sich geführt, ihre Sprache. "Sie hat viel in der Literatur bewirkt und zur Integration der Flüchtlinge beigetragen." Mit einem Schmunzeln erinnerte sich Surminski dann auch an seinen Landsmann Siegfried Lenz, der, als er zum Hamburger Ehrenbürger ernannt wurde, den Bürgermeister in seiner Dankesrede mit "Bürgermeisterchen" anredete ...

"Ehrungen wie diese, in diesem Alter bringen oft die Feststellung mit: nu is genug. Damit aber kann ich nicht leben, ich habe noch viel vor, noch viel zu arbeiten", schloß er seine kurze Ansprache, und so darf man denn sehr gespannt sein auf den neuen Roman und noch viele Erzählungen aus der Feder von Arno Surminski.

"Ich habe noch viel vor": Preisträger Arno Surminski mit seinem Enkel im Hamburger Rathaus
 
     
     
 
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