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Der Retter aus Nairobi schweigt

 
     
 
Eigentlich wäre es die derzeit spannendste Frage in Berlin: Wer wird Spitzenkandidat der CDU bei der Abgeordnetenhauswahl am 17. September dieses Jahres? Nach fünf Jahren in der Opposition hat die Partei nun erstmals die Chance, wieder in Regierungsverantwortung zu gelangen. Normalerweise treten ein Dreivierteljahr vor so einem entscheidenden Datum längst potentielle Spitzenkandidaten aus der Masse der Parteifunktionäre heraus, scharen ihre Anhänger um sich und versuchen, in der Presse zu punkten. So ist man es aus Bund und Länder
n gewöhnt.

Die christdemokratische Realität in der deutschen Hauptstadt sieht aber anders aus: Niemand reißt sich um den Spitzenjob. Alle Hoffnungen der Partei konzentrieren sich auf einen einzigen Namen, der zum „Retter in der Not“ hochstilisiert wird – Klaus Töpfer, Bundesumweltminister a. D.

Damit der peinliche Kandidatennotstand nicht allzu offensichtlich wird, sollte zum Jahreswechsel eine eigens eingerichtete Arbeitsgruppe eine Liste mit geeigneten Bewerbern vorlegen oder gleich einen bevorzugten Spitzenkandidaten vorstellen. Doch bei der CDU herrscht Funkstille.

Der Findungskommission gehören drei Personen an: Ingo Schmitt, der Landesvorsitzende, Nicolas Zimmer, der Fraktionsvorsitzende, und Frank Henkel, der Generalsekretär. Sie hüllen sich in Schweigen, wer gegen Klaus Wowereit antreten soll. Schweigen, das anfangs noch als Verschwiegenheit ausgelegt werden konnte. Inzwischen verfestigt sich der Eindruck: Sie sind schlicht und einfach ratlos.

Ende November wandte sich die gesamte Parteibasis – vertreten durch die zwölf Bezirksvorsitzenden (darunter ein Stellvertreter) – schriftlich in einem Bettelbrief an Töpfer. Bitte, Bitte, komm’ nach Berlin und werde Spitzenkandidat, so der Tenor.

Warum ausgerechnet der Chef des UN-Umweltprogramms mit Sitz in der kenianischen Hauptstadt Nairobi der richtige Kandidat sei, bleibt ein Geheimnis der Parteistrategen. Die Befürworter versprechen sich vermutlich, daß Töpfer als erster eine „Jamaika-Koalition“ aus CDU, FDP und Grünen auf Landesebene bilden könnte. Der Saarländer galt schon in seiner Zeit als Bundesminister als linksliberal ausgerichtet. Genau der Richtige also für ein Bündnis mit der einst in CDU-Kreisen zutiefst verhaßten früheren Alternativen Liste.

Ohne eine solche Bündnisoption ist die CDU-Wahlkampagne ohnehin Makulatur: Schwarz-Gelb ist in Berlin nicht mehrheitsfähig, solange diese Konstellation im Ostteil der Stadt zusammen auf gerade einmal 19,6 Prozent kommt (Bundestagswahl 2005, Zweitstimmenanteil). Dagegen entfielen dort auf die SPD 34,7 Prozent, auf die Grünen 10,3 Prozent und auf die Linkspartei 29,6 Prozent.

Klaus Töpfer läßt seine Parteifreunde vorerst zappeln. Er antwortet einfach nicht. Für Lokalgrößen wie den CDU-Chef Schmitt sei er nicht einmal zu sprechen, heißt es gerüchteweise. Andererseits läuft Töpfers Vertrag in Nairobi im Februar aus. Auch hat er sich bereits nach einer Wohnung in Berlin umgesehen. Das spräche eher dafür, daß er die schwierige Aufgabe übernimmt. Die Spekulationen werden solange weitergehen, bis die Partei endlich einen Kandidaten hat. Ob er nun Töpfer heißt oder nicht.

Für die SPD-Linkspartei-Regierung ist die Unsicherheit bei den Schwarzen natürlich außerordentlich erfreulich. Zum Jahreswechsel verhöhnte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) die Opposition im Interview in der „Berliner Morgenpost“: „Ich finde es schon bemerkenswert, daß die Berliner CDU ihren Bankrott erklärt hat, indem sie bekanntgibt, keinen eigenen Kandidaten für das Amt des Regierenden Bürgermeisters zu haben.“

Wowereit kann sich Hochmut erlauben. Die letzte Sonntagsfrage förderte für Berlin (fünf Tage vor Heiligabend) folgendes Bild zutage: CDU 21 Prozent, FDP acht Prozent, SPD 35 Prozent, Linke 16 Prozent und Grüne 14 Prozent. Mit 51 Prozent behielte Rot-Rot also die Mehrheit. Bei einem solchen Wahlergebnis nützte Töpfer selbst eine Koalition aus CDU, FDP und Grünen nichts.
 
     
     
 
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