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Der Wähler und die falschen Vorbilder

 
     
 
Michael Schumacher preschte - wieder einmal - vor. Der fünffache Formel-1-Weltmeister offenbarte sich als notorischer Nichtwähler - und gelobte Besserung. Dieses Mal, am 22. September, werde er zu Wahl gehen. Wen er wählen will, verriet er nicht. Sein Dienstauto ist rot, die Reifen sind schwarz - daraus kann man nichts ableiten. Er sei aber zu der Erkenntnis gekommen, angesichts der riesigen Probleme, vor denen Deutschland heute stehe, insbesondere der Arbeitslosigkeit
und der Wirtschaftsflaute, dürfe sich niemand seiner staatsbürgerlichen Pflicht und Verantwortung entziehen. Deutschlands erfolgreichster und reichster Sportler, dessen Fahrstil während seiner Berufsausübung nicht unbedingt zur Nachahmung empfohlen ist, erweist sich hier als lobenswertes Vorbild. Und zwar gerade weil er zwar dringend rät, zur Wahl zu gehen, aber keine konkrete Wahlempfehlung für diese oder jene Partei, für diesen oder jenen Kandidaten abgibt. Das unterscheidet ihn wohltuend von vielen anderen Prominenten.

Denn: Was befähigt eigentlich einen Spitzensportler, eine stimmgewaltige Sängerin oder einen ausdrucksstarken Schauspieler zu solch herausragender politischer Urteilskraft, daß er anderen sagen kann, was sie zu wählen haben? Wer besser als andere singen, springen, tanzen oder was auch immer an Unterhaltsamkeiten vorführen kann, ist damit noch nicht automatisch der klügere politische Kopf. Was hat der Wähler also davon, zu erfahren, daß die Kammersängerin X ihm rät, Edmund Stoiber zu wählen, während der Hundert-Meter-Sprintstar Y für Gerhard Schröder wirbt? Ist Stoiber damit der Traumkandidat aller Musikliebhaber, Schröder hingegen der richtige Mann für den Leichtathletik-Fan?

Die Politiker - insbesondere ihre Wahlkampf-Manager - sollten endlich aufhören mit diesem Unfug, Prominente aus Sport und Unterhaltung vor ihren politischen Karren zu spannen. Der Wähler will nicht wissen, wer für wen Wahlwerbung macht. Er will wissen, wer für welche politischen Inhalte steht. Und das müssen ihm die Politiker schon selber sagen.

Alles andere ist Anbiederung an den Zeitgeist. Weil ein Sportstar die Baseball-Kappe verkehrt herum trägt, setzen alle sie verkehrt herum auf; weil ein Tralala-Girl den Bauchnabel entblößt, rennen alle mit blankem Bauch herum, weil ein Moderator Beethoven und Bach als "first class music" ansagt, reden alle nur noch "Denglish". Daß solche Oberflächlichkeit heute weitgehend das Leben bestimmt, ist zu beklagen, aber nicht zu bestreiten. Daß aber in zunehmendem Maße Politiker jeglicher Couleur sich dieses Trends bedienen, ist nicht hinnehmbar, weil sie damit den angeblich "mündigen" Bürger entmündigen. Verantwortungsbewußte Politiker sollten sich dem verweigern, statt daraus vordergründige Vorteile zu ziehen.

In diesem Zusammenhang müssen auch wir Journalisten uns kritische Fragen gefallen lassen. Wir haben zu berichten, zu kommentieren und so zur politischen Meinungsbildung beizutragen. Die Entscheidung, wo der Wähler am Sonntag sein Kreuzchen macht, können (und wollen) wir ihm nicht abnehmen. In der Wahlkabine ist kein Journalist und kein wahlwerbewirksamer "Promi" mit dabei - da ist der Wähler wirklich der alleinige Souverä
 
     
     
 
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