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Der letzte Ossi ist weg

 
     
 
Es ist der einzige spannende Moment des ganzen Parteitages: Berlins CDU-Generalsekretär Frank Henkel winkt den Berliner Vorsitzenden Ingo Schmitt zurück in den Sitzungssaal. Es geht um den sechsten Listenplatz bei der Bundestagswahl - den letzten, der als einigermaßen aussichtsreich gilt.

Absprachegemäß kandidiert Innenexperte Roland Gewalt. Doch er sieht sich einem Gegenkandidaten gegenüber. Günter Nooke begibt sich ins letzte Gefecht. Bürgerrechtler Nooke war einst führendes Gründungsmitglied bei der DDR-Oppositionspartei "Demokratischer Aufbruch", Merkel seinerzeit eher Mitläuferin bei der Anti-SED-Truppe. Jetzt kämpft er darum, abermals zum Bundestag nominiert zu werden. Als einziger "Ossi", der sich auf den vorderen CDU-Listenplätzen Berlins überhaupt anzutreten traut.

Bis jetzt war alles so gelaufen, wie es die Parteispitze ausgekungelt hatte: Alle Positionen sind mit Westlern besetzt. Angeführt wird die Liste von Professorin Monika Grütters, einer Ziehtochter des einstmals so mächtigen Klaus Rüdiger Lan-dowsky. Grütters ist unsicher. Als sie vorgeschlagen wird, steht sie auf und setzt sich dann wieder. Jemand anderes spricht. Erneut steht sie auf, um sich sogleich wieder zu setzen. Dann erst erhebt sie sich und geht zum Podium. Die Germanistin hält eine Wahlkampfrede, in der sie Müntefering als "selbsternannten Neben-Papst" geißelt und Rot/Grün auf die "politische Sünderbank" wünscht. Die Delegierten klatschen artig. Mit 16 sei sie in die Junge Union
eingetreten, sagt sie. Mit 43 führt sie nun die CDU-Landesliste an. 76 Prozent der Delegierten stimmen für Grütters. So sieht eine parteipolitische Traumkarriere aus.

Ihr folgt auf dem zweiten Platz der frischgewählte CDU-Landeschef Ingo Schmitt mit 75 Prozent. Auf den dritten wird Kurt-Georg Wellmann gewählt. Er warnt vor der neuen Linkspartei: "Wir werden es immer wieder sagen, daß die Linken in ihrer absoluten Verzweiflung zu rechtspopulistischen Sprüchen greifen." Über Lafontaine sagt er: "Wir werden die SPD immer wieder daran erinnern, daß es ihr früherer Bundesvorsitzender ist, der jetzt den Haider macht." Auf die Plätze vier und fünf werden Peter Rzepka und der frühere Chef der Jungen Union, Kai Wegener, gesetzt, ohne Gegenkandidaten.

Dann kommt die Schlacht um Platz sechs - Nooke als Außenseiter gegen Roland Gewalt. Gewalt warnt in seiner Rede vor "Populismus im Osten". Er will das Grundgesetz ändern, "um die Bürger vor so barbarischen Anschlägen" wie in London zu schützen.

Günter Nooke hält keine Wahlkampfrede wie sein Gegner. Er stellt sich persönlich vor, spricht von seiner Ehe und seinen drei Töchtern. "Viele an der Basis und viele Berliner verstehen nicht, daß keiner aus dem Osten auf der CDU-Liste kandidiert", sagt er. Nooke weiß, was kommen wird und geht sehenden Auges in die Niederlage. Nachdem die Stimmen ausgezählt sind, steht fest: Berlins CDU kommt tatsächlich ohne Kandidaten aus dem Osten aus. 158 Stimmen Gewalt, nur 80 Nooke. Der Geschlagene gratuliert dem Gewinner.

Günter Nooke hat jetzt nur noch eine geringe Außenseiter-Chance in Pankow: Hier kandidiert er gegen den Bundestagspräsidenten Thierse (SPD), Werner Schulz (Grüne) und PDS-Landeschef Stefan Liebich um das Direktmandat.

Auch beim darauffolgenden Wahlgang gibt es kaum Überraschungen. Nur, daß sich diesmal eine vermeintliche Außenseiterin durchsetzt. Den siebten Platz hatte sich der stellvertretende Vorsitzende der Abgeordnetenhausfraktion Kurt Wansner sicher geglaubt. Der Kreuzberger gilt als "Rechter" in der CDU. Nun kandidiert plötzlich die Vorsitzende der Frauenunion gegen ihn. Mit vier Stimmen Vorsprung holt Edeltraud Töpfer den siebten Platz der Landesliste.

Der alte Ostteil der Stadt ist nun durch niemanden mehr auf vorderen Listenplätzen präsent. Nach der gescheiterten Kandidatur von Vera Lengsfeld in Thüringen und nun Günter Nooke ist von den früheren DDR-Bürgerrechtlern in der Unionsfraktion nichts mehr übrig. Mit welchen Köpfen und Strategien die Union dem "Populismus" der Linkspartei gerade in den Neuen Bundesländern begegnen möchte, bleibt ihr Geheimnis.

Sehenden Auges in die Niederlage: Günter Nooke, der letzte DDR-Bürgerrechtler unter Berlins CDU- Abgeordneten, wird dem neuen Bundestag nicht mehr angehören. Hier protestiert Nooke am Dienstag vergangener Woche gegen die Zerstörung des Mauermahnmals am Checkpoint Charlie.
 
     
     
 
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