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Deutscher Dichter gewürdigt

 
     
 
Die erste Zeile des Gedichtes "Schönes, grünes, weiches Gras" ist der Titel einer poetischen Werkauswahl von Arno Holz (1863-1929) samt polnischer Übersetzung. Sie erschien jüngst in dem Allensteiner Verlag "Wspólnota Kulturowa Borussia" (zu beziehen über fibre Verlag, Martinistraße 37, 49080 Osnabrück, www.fibre-verlag.de , ISBN Nummer 3-929759-7-8), herausgegeben von der "Arno-Holz-Gesellschaft für deutsch-polnische Verständigung e. V." Ketrzyn (Rastenburg), Pl-11-400 Kretrzyn, ul. Mickiewicza 1.

Richard Schaukal, österreichischer
Zeitgenosse Holz und selbst namhafter Übersetzer, erachtete "Übersetzungen dichterischer Werke im allgemeinen als überflüssig, ja als schädlich. Wer sich ihnen einzig anvertraut, ist übel dran. Sie fälschen - und dies fast immer gröblich - das Original, dem sie zu dienen vorgeben. Zumal bei uns und vornehmlich in den letzten Jahren wütet das Übersetzertum wie eine verheerende Seuche. An die köstlichsten Schätze wagte sich trauriger Mut und Übermut. Das Ergebnis ist für die deutsche Sprache beschämend, für die fremde nichtig. Es ist immerhin fraglich, ob die Vermittlung bequemer oberflächlicher Kenntnis des in fremden Literaturen Vorhandenen den Schaden aufwiege, den so die üblichen herzlosen Übersetzungen wirken. Ich bekenne mich unbedingt als Verneiner der zweifelnden Frage."

In diesem Fall liegen die Dinge jedoch genau andersherum: Unabhängig von der hervorragenden Qualität der polnischen Übersetzung, die nur wenige Deutsche angemessen würdigen können oder wollen, wird man zutiefst beschämt durch das Interesse der Polen an einem deutschen Dichter, welcher, obwohl fünfmal (!) zum Literaturnobelpreis vorgeschlagen, heutzutage in seinem Vaterland nur als "minor poet" gilt. Abgesehen von der schmalen Erstfassung des "Phantasus" (1898/99) als Reclam-Heftchen und einer Neuedition von "Dafnis", jener meisterhaften Parodie deutscher Barocklyrik, gibt es derzeit keinen lieferbaren Titel von Arno-Holz-Gedichten im deutschen Buchhandel.

Wer sich hierzulande mit Arno Holz und seiner Dichtung befassen möchte, ist genötigt, auf die besagte deutsch-polnische Ausgabe zurückzugreifen. Insbesondere das lyrische Frühwerk von Holz, so etwa auch das unverwüstliche Schulbuch- und Anthologiestück "Een Boot is noch buten!" findet sich hier in einem angemessenen Rahmen wieder.

Der Titel des letztgenannten Gedichtes macht deutlich, mit welchen sprachlichen Schwierigkeiten der polnische Übersetzer Andrzej Kopacki - übrigens selbst ein anerkannter Lyriker der Gegenwart - zu kämpfen hatte: Niederdeutsche Einsprengsel, Nominalkonstruktionen, naturalistischer Sprachstil, Neologismen etc. werden, soweit es eben nur geht, im Polnischen nachgebildet, Versmaß und Reim nach Möglichkeit beibehalten. So mutiert beispielsweise der friesische "Klabautermann" zum polnischen "Kobold"; die Stimmigkeit auf der Sinnebene bleibt jedoch erhalten.

Die Auswahl der Gedichte zeigt vor allem die literaturgeschichtlich bedeutsame und von Holz propagierte "Revolution der Lyrik" anhand der Gegenüberstellung seines noch an Reim und Metrik gebundenen Frühwerkes zur freien Lyrik des "Phantasus". Letztere konfrontiert den Übersetzer weniger mit lexikalischen als mit syntaktischen Problemen, da der polnische Satzbau eine andere Wortstellung als im Deutschen erheischt. Wortstellung und Satzzäsuren bzw. Zeilenumbrüche implizieren indes Betonungen und Bedeutungsnuancen, die im Polnischen nicht direkt, zumindest nicht ohne Gewaltsamkeit vermittelbar sind. Es ehrt den Übersetzer, daß er im Zweifelsfall der Schlichtheit der polnischen Sprache (und dieses sei ohne Abwertung gemeint) den Vorzug gegeben hat. Die Weiterarbeit und -entwicklung von Arno Holz während seiner späteren Schaffensphase wird exemplarisch an einigen Gedichten aus dem "Phantasus" vorgestellt. Sie erlauben den direkten Vergleich mit der jeweils ursprünglichen Fassung, so in "Geburt und Taufe" oder "Großmutters achtundsiebzigster Geburtstag", deren inflationären Gebrauch von Adjektiven und Appositionen weder der deutsche Lehrer noch der polnische Übersetzer als Verbesserung empfunden haben werden.

Die vorliegende Veröffentlichung ist ebenso bedeutsam wie symptomatisch für das junge Polen auf dem Weg nach Europa. Nach einem Bonmot des ehemaligen Außenministers Skubiszew-ski führt dieser Weg über Deutschland. Man hat es in Ketrzyn, dem alten Rastenburg und Geburtsort von Arno Holz, in geistiger und kultureller Hinsicht verstanden und überzeugend in die Tat umgesetzt: Die nun vorliegende zweisprachige Publikation überwindet nationale, historische und sprachliche Gegensätze zwischen zwei Völkern auf faszinierende Weise.

Es ehrt die Arno-Holz-Gesellschaft wie den Übersetzer Andrzej Kopacki, sich selbstlos und erfolgreich um diesen ebenso eigenwilligen wie vernachlässigten deutschen Dichter verdient gemacht zu haben. Es zeigt ferner, in welch hochherziger und vorbehaltloser Weise man in Polen bereit ist, das kulturelle Erbe in den alten deutschen Ostgebieten zu bewahren. Und es dokumentiert das sprachliche und geistige Potential Polens im Blick auf ein zukünftiges Europa. Frank Stückeman
 
     
     
 
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