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Deutschstämmige Warschauerin in den Wirren des Krieges

 
     
 
Geschichte, die wir unmittelbar erleben, verstehen wir gewöhnlich nicht, wir sind ihr hilflos ausgeliefert. Nach Jahren, wenn sie mythisiert oder verzerrt wiedergegeben wird, möchten wir korrigierend dazwischenrufen: ,So war es gar nicht, ich habe es ganz anders erlebt! "

Wieslawa Wieland erzählt in "Es begann am Ufer der Weichsel" die Geschichte der in Warschau geborenen, zur deutschen Minderheit zählenden Eva. Schon früh spürt das Mädchen, daß sie anders ist, als die anderen Kinder. Als Protestantin kennt sie die vielen christlichen Legenden der Katholiken nicht und beim Marienspiel wird sie als "Szwaby" beschimpft, obwohl ihre Vorfahren vor über 200 Jahren aus dem Schwabenland nach Polen kamen.

Als die Deutschen Warschau einnehmen, ist es plötzlich für ihre Familie von Vorteil, deutsch zu sein. Doch schon auf der gesonderten Schule fühlt sie sich schnell wieder unwohl, da sie die deutsche Sprache nicht beherrscht. Schon früh wird die in die Ankunft der Deutschen gesteckte Hoffnung enttäuscht.

"Verschwunden waren die anständigen Wehrmachtsoffiziere, die Erinnerung an die korrekten Preußen war wie weggeblasen, jetzt herrschten Banditen und Pöbel und terrorisierten alle." Als die SS das Regiment in Warschau übernimmt, geht jede Menschlichkeit verloren: Das Juden-Ghetto
wird gebaut, polnischen Kindern der gehobene Bildungsweg verwehrt, die polnische Bevölkerung unterdrückt. Eva zieht mit ihrer Mutter aufs Land, wohin schon bald ihre Großmutter nachreist. Sie hat den erbitterten Kampf der Widerstandskämpfer erlebt, und kann die Bilder des barbarischen Abschlachtens auf allen Seiten nicht vergessen. Eva hingegen hat kein Ohr für das von ihrer Großmutter geschilderte Grauen, denn "das Leben eines jungen Mädchens hat selbst inmitten von Terror und Angst immer noch andere Seiten." Das Schulmädchen hat sich in einen jungen, zwangsarbeitleistenden Polen verliebt, eine Liebe, die ihr beim Einmarsch der Roten Armee das Leben und ihre Unschuld rettet.

Die in Polen geborene Autorin Wieland schreibt einfühlsam und farbig. Der Leser kann die damaligen in Warschau herrschenden nationalen Spannungen geradezu spüren. Die hilflose Lage der Bewohner, das Wohnen dicht neben dem Warschauer-Ghetto und somit mit dem Tod, das Gefühl selbst kurz vorm Abgrund zu stehen; all das schildert sie in einer beeindruckenden, poetisch nachdenklichen Sprache. Absolut lesenswert! Fritz Hegelmann

Wieslawa Wieland: "Es begann am Ufer der Weichsel", Universitas, München 2003, geb., 286 Seiten, 19,90 Euro
 
     
     
 
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