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Die schweren Jahre

 
     
 
Nein, es war kein besonders gutes Jahr, dieses 2003, das sich nun seinem Ende zuneigt. Im Rückblick aber muß man sagen: Die Realität ist mindestens genauso düster wie das damals gemalte Bild.

Da war zunächst die Enttäuschung all jener, die Rot-Grün wiedergewählt hatten und nun erkennen mußten, daß nichts von den Wahlversprechungen eingehalten wurde, im Gegenteil. Doch die Enttäuschung ging weit über die Parteigrenzen hinaus: Alle Bürger hatten gehofft, daß nach dem Wahlkampfgetöse endlich regiert statt geredet würde. Daß unsere Politiker - jeder an seinem Platz, die Wahlsieger auf der Regierungsbank, die anderen als Opposition - die überfällig
en Reformen beherzt anpacken, das Land aus der Lethargie wecken, Deutschland wieder in Schwung bringen.

Nichts von alledem trat ein. Sieger und Verlierer stritten sich statt dessen zunächst inbrünstig darüber, wer denn vor der Wahl die dicksten Lügen aufgetischt habe. Dann endlich, fast ein Viertel des Jahres war schon dahingegangen, die langerwartete "Blut-, Schweiß- und Tränen-Rede" des Kanzlers. Kein großer Wurf, eher ein Sturm im Wasserglas. Kein Ruck ging durchs Land, und auch in der Sache gab es nichts Neues; das meiste hatte man in dem eingangs zitierten Text des Sprechers bereits nachlesen können.

Immerhin glaubten wir da noch: Jetzt geht s los! Prompt kam die nächste Enttäuschung: Nichts ging los, monatelanger Stillstand an der Reformfront.

Statt Reformen erlebten wir nur Reformdebatten, nach dem Motto: Jeder gegen jeden. Normalerweise hätte die rot-grüne Regierungsmannschaft am Tag nach Schröders Reformrede ein Bündel fertiger Gesetzentwürfe aus der Schublade ziehen müssen. Aber die Schublade war genauso leer wie Hans Eichels Kassen. Was folgte, war Zeitvergeudung den ganzen Sommer über, bis weit in den Herbst, kleinkarierter Streit zwischen Interessengruppen ("Sparen ja, aber nicht bei uns!"), schließlich ein hektisch zusammengeschnürtes Reformpaket, von dem derzeit niemand weiß, ob es im Endspurt, sprich im Vermittlungsausschuß, nicht doch noch auf der Strecke bleibt. Unter "souveräner Politik" stellt sich der Bürger eigentlich etwas anderes vor. Die politische Klasse hat sich in diesem Jahr 2003 parteiübergreifend als Versager gezeigt.

Was hat das Jahr sonst noch gebracht? Die Union hat sich von der linken Polit- und Medienclique in die antifaschistische Falle locken lassen und sich ohne Not am demokratisch-rechten Rand selbst verstümmelt. Derweil versinkt die SPD von Wahl zu Wahl und von Umfrage zu Umfrage tiefer in der Bedeutungslosigkeit.

Auf internationaler Ebene sind zwei Ereignisse hervorzuheben: der Irak-Krieg, der die Welt - auch moralisch - zutiefst spaltete, und die Zementierung der EU-Osterweiterung, die den deutschen Heimatvertriebenen zwar für die fernere Zukunft vage Perspektiven eröffnet, kurzfristig aber den Rahmen für eine gehässige Hetzkampagne bot, bei der sich neben Polen und Tschechen auch führende deutsche Sozialdemokraten hervortaten.

"Vor uns die schweren Jahre", so hatte Meier seinen Neujahrsartikel 2003 überschrieben. Das erste dieser schweren Jahre haben wir nun bald hinter uns - das erste, aber noch lange nicht das letzte ...
 
     
     
 
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