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          Ist die CDU     noch zu retten? Der Spenden- und Finanzskandal nimmt zu Beginn des Jahres 2000 Ausmaße     an, die frühere Spendenaffären und auch die Barschel-Affäre in den Schatten stellen. Im     hessischen Landesverband der Partei zeigen sich mafiose Strukturen. Millionenbeträge     wurden ins Ausland verschoben, die Erträge unter Vorspiegelung falscher Tatsachen     (Erbschaften) wieder in die inländische Parteikasse transferiert. Altkanzler Helmut Kohl     sammelte Millionenbeträge in bar und verschob sie unter Umgehung    der gesetzlichen     Bestimmungen in die Partei. Der neue Parteichef Wolfgang Schäuble gelobte Aufklärung,     verschwieg aber eine Barspende von 100 000 Mark. Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht     neue negative Tatsachen bekannt werden. Die CDU befindet sich in einer existentiellen     Krise. Ein Krisenmanagement hat sie jedoch nicht.
       Der CDU-Skandal besteht inzwischen aus drei verschiedenen Ebenen. Da ist zunächst Kohl     mit seinen in bar gesammelten Millionenbeträgen, deren Herkunft er nach wie vor     verschweigt. Er stellte sein Ehrenwort gegenüber den Geldgebern über geltendes Recht.     Die Partei tat sich schwer im Umgang mit ihrem Ehrenvorsitzenden. Generalsekretärin     Angela Merkel legte Kohl indirekt den Rücktritt von Abgeordnetenmandat und Ehrenvorsitz     nahe, Schäuble jedoch wollte zunächst nicht so klar auf Distanz gehen, bis die     CDU-Führung den Druck auf Kohl nun offenbar deutlich verstärkte.
       Schon diese Affäre belastete die Partei schwer. In den Gremien kam es zu schweren     Machtkämpfen zwischen "Kohlianern" und "Aufklärern". Gipfelpunkt der     Entwicklung war die von "Kohlianern" gestreute Information, der     nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Jürgen Rüttgers wolle gegen Schäuble auf dem     CDU-Parteitag im April in Essen kandidieren, damit das Erbe des Altkanzlers bewahrt werde.
       Man kann Schäuble nicht die direkte Verantwortung für die zweite Ebene, den Fall der     Hessen-CDU anlasten. Aber die politische Verantwortung für diesen in der     Nachkriegsgeschichte der deutschen Parteien einmaligen Vorgang wird er zweifellos zu     übernehmen haben. Die hessische Affäre wird noch einige Überraschungen mit sich     bringen, nicht zuletzt wegen der Frage, woher die sieben Millionen Mark stammen, die vor     Jahren schnell ins Ausland gebracht wurden. Die Vorgänge verdunkeln die Bilanz des     früheren Bonner Innenministers Manfred Kanther, der jahrelang als Saubermann galt und in     der Bundesregierung oberster Hüter der Gesetze und sogar des Grundgesetzes war. Es ist     schwer zu glauben, daß außer Kanther und seinem Schatzmeister Prinz Wittgenstein niemand     in der CDU von den Millionen gewußt haben soll.
       Spannend wird auch noch die Frage, ob andere CDU-Landesverbände die durch die     hessischen Bilanzfälschungen drohenden Rückzahlungen und Strafen an den Bundeshaushalt     mittragen wollen. Es dürfte dabei um Beträge im zweistelligen Millionenbereich gehen.     Auch die staatliche Parteienfinanzierung im laufenden Jahr gerät in Gefahr, da alle     Rechenschaftsberichte der Bundes-CDU durch Kohls und Kanthers Finanzgebaren falsch sein     dürften. Staatsgelder werden jedoch nur bei korrekten Rechenschaftsberichten gewährt.
       Die dritte Ebene der Affäre ist das Verhalten des Parteivorsitzenden Schäuble. Er war     mit dem Anspruch des Aufklärers angetreten, bis plötzlich herauskam, daß ausgerechnet     er die Entgegennahme einer 100 000-Mark-Spende des Waffenhändlers Schreiber     verschwiegen hat. Das Geld tauchte natürlich auch nicht in den Rechenschaftsberichten der     CDU auf. Im Bundestag verstieg sich Schäuble jedoch am 2. Dezember 1999 zu der     Behauptung, er habe Schreiber nur oberflächlich gekannt. "Das war es", sagte     Schäuble noch. Jetzt wurde bekannt, daß er im Jahre 1997, drei Jahre nach Entgegennahme     des Geldes, versucht hatte, sich mit einer Bescheinigung über die korrekte Übergabe des     Geldes an die Partei abzusichern. Der Ruf des Aufklärers ist damit endgültig ruiniert.
       Am Dienstag schien der Rücktritt Schäubles schon fast bevorzustehen. Der sächsische     Ministerpräsident Kurt Biedenkopf könne, so hieß es aus Vorstandskreisen, die Führung     der Partei für eine Übergangszeit übernehmen. Doch noch klammert sich Schäuble an sein     Amt, während um ihn herum die Partei auseinanderzufallen droht. Die nächsten Wahlen     scheinen angesichts dieser Hypotheken nicht mehr zu gewinnen. Der drohende finanzielle     Ruin könnte viele Christdemokraten reizen, sich eine andere politische Heimat zu suchen     oder eine neue zu gründen. Das drohende Ende der CDU ist mehr als eine Theorie. 
       Hans-Georg Münster
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