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Dumme Fragen - schlaue Antworten

 
     
 
Sie sind während der letzten Jahre immer mehr in Mode gekommen, diese Talk-Shows. So eine Talk-Show wird mit Vorliebe im Fernsehen gezeigt und ist eine Zusammenkunft von Leuten, die alles besser wissen und einander fortwährend ins Wort fallen. Die eine Hälfte der Anwesenden ist für etwas, die andere ist dagegen. Geleitet wird die Veranstaltung von einer sehr netten Dame oder einem sehr netten Herrn, die die Fäden der Diskussion zusammenhalten. Oder es zumindest versuchen.

Überras
chenderweise hatte man auch mich zu einer solchen Talk-Show, die von einer äußerst attraktiven Dame geleitet wurde, eingeladen. Ich hatte in der Wochenendbeilage einer Tageszeitung - eingebettet in eine Satire - den Satz untergebracht, daß alles Unglück nur daher käme, daß die Menschen nicht zu Hause bleiben. Das war offenbar Grund genug, mehr von mir erfahren zu wollen.

Allerdings mußte ich sehr lange warten. Man nahm mich erst als letzten der insgesamt sechs Auserwählten aufs Korn. "Sie behaupten also", fragte mich die hübsche Talkmasterin, "alles Unglück käme nur da- her ..." Sie unterbrach sich: "Was verstehen Sie denn überhaupt unter Unglück?"- "Nun ja", erwiderte ich, sofort leicht irritiert, "Unglück ist, so erinnere ich mich jedenfalls, ein Zustand, der nur wenig mit Glück zu tun hat."

Die Masterin ließ nicht locker: "Erzählen Sie uns, wie Ihre Kindheit aussah. Waren Sie Bettnässer? Hatten Ihre Eltern ein Verhältnis zu anderen Eltern, und wenn ja, war es ein gutes? Können Sie sich an Einzelheiten erinnern?"

"Ich wurde in Hannover geboren", sagte ich. - "Aha!" rief einer der anderen Show-Teilnehmer. "Die Stadt der größten Schützenfeste Europas!" Und er hob sofort ein Buch hoch, das er selbst geschrieben hatte und das den Titel trug: "Die Treffsicherheit verfrühter Gedanken und ihre Folgen".

Im Laufe des Talk-Abends streck-ten noch drei weitere Herrschaften - ich kam mir vor wie auf der Buchmesse - selbstgeschriebene Bücher der Kamera entgegen. Nur ich nicht! Obschon ich Schriftsteller bin, hatte ich kein Buch dabei! Ich spürte förmlich, daß mich das unglaubwürdig machte. Und die hübsche Masterin der Show bemühte sich, mir zu Hilfe zu kommen: "Sagen Sie uns, welches Buch Sie besonders schätzen. Ein eigenes vielleicht?"

"Das Sparbuch", sagte ich. "Auch wenn es nur zwei Prozent Zinsen gibt."

"Etwas zum Thema Prozente, bitte sehr!" wandte sich eine der Talkerinnen, während sie ihr neuestes Buch "Hoch die Tassen!" ein zweites Mal in die Höhe hob, sehr provozierend an mich: "Trinken Sie, und wenn Sie trinken, seit wann trinken Sie - und wieviel?"- "Gleich nach meiner Geburt", sagte ich, "habe ich zu trinken begonnen, aber es ist mir entfallen, wieviel ich trank."

Schließlich kam man noch einmal auf den bewußten Ausspruch (alles Unglück käme nur daher, daß die Leute nicht zu Hause bleiben) zurück. Einer fragte: "Wieso - haben Sie was gegen Autos?" Ein anderer: "Hassen Sie Menschenansammlungen?" Ein dritter: "Leben Sie allein, zusammen mit einem Partner oder in einer Wohngemeinschaft - und mit wem fahren Sie in Urlaub?" Die Talkmasterin schloß sich an mit der

Frage: "Stammt dieser bewußte und sehr kommunikationsfeindliche Satz, über den wir hier sprechen, wirklich von Ihnen?"

"Nein", sagte ich. "Er stammt von dem französischen Philosophen Blaise Pascal. Ich habe ihn nur in meiner Glosse verwendet, weil er mir so gut gefiel. Und nach dem heutigen Abend muß ich Pascal recht geben. Es war zwar kein ausgesprochenes Unglück, daß ich hier war, aber ich hätte ebensogut zu Hause bleiben können."

 
     
     
 
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