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ERBLICHKEIT DER BLUTGRUPPEN

 
     
 
Während die meisten normalen Merkmale des Menschen polygen bedingt sind, ist es bei zahlreichen serologischen (Blut-) Merkmalen gelungen, die beteiligten Gene und einfache Erbgänge zu finden; sie bieten die besten humangenetischen Beispiele für einfache Mendelfälle (dominantes, rezessives, kombinantes Verhalten, multiple Alle-lie). Es handelt sich bei den Blutmerkmalen wahrscheinlich um interzellulüre Genzoirkungen, bei denen die Erbanlagen direkt auf bestimmte Bestandteile der Zelle einwirken (v. V e r s c h n e r). Die betreffenden Molekülstrukturen lassen sich bisher nur durch Ballungsreaktionen (Agglutination) feststellen. Bei dem am längsten bekannten ABO-System (Lands t eine r, 1902) wurden zwei ballbare Substanzen (Antigene) in den Blutkörperchen und zwei ballende Substanzen (A n t i -k ö r p e r) im Serum festgestellt, woraus sich vier Blutgruppen als Kombinationen ergeben. i. Blutgruppe 0: Die Blutkörperchen von Individuen dieser Gruppe werden durch kein Serum agglutiniert; das Serum agglutiniert die Blutkörperchen der drei anderen Gruppen. 2. AB: Die Blutkörperchen werden vorn Serum aller drei anderen Gruppen agglutiniert; das Serum agglutiniert keine Blutkörperchen der anderen Gruppen. 3. A und 4. B: Das Serum agglutiniert jeweils die Blutkörperchen der anderen Gruppe (und der Gruppe AB). - Bei anderen serologischen Ballungsmerkmalen sind die Antikörper nicht im menschlichen Serum enthalten, sondern werden aus Tierblut gewonnen.

Es sind bisher 46 erbliche Blutmerkmale bekannt, die auf mindestens 16 Genen (Genorten) mit jeweils zwei oder mehr Allelen beruhen. Für Rassenphysiologie und Vaterschaftsnachweis am wichtigsten sind bisher die folgenden: 1. Das AB 0- S y -s t e m mit mindestens vier Allelen (A1, A2, B, 0) eines Genorts ()multiple A l l e l i c ); A und B sind dominant über 0, At ist dominant Tiber A2, A und B verhalten sich kombinant zueinander (Auftreten beider Merkmale bei Heterozygoten).

2. Das M N - S y stein: Ein Gen mit zwei Allelen M und N, kombinantes Verhalten, also drei nachweisbare Phänotypen M, N und MN; sehr selten sind weitere Mutanten, nämlich schwaches N (N2) und schwaches M (Mc und Mc). 3. Das K h-System: Drei im selben Chromosom liegende Genorte mit jeweils mindestens zwei Allelen Cc, Dd und Ee und einer Reihe seltener Mutanten (Cw u. a.). Bei Cc und Ee lassen sich auch die Heterozygoten bestimmen (kombinanter Erbgang), d ist dagegen bisher nur durch das Fehlen von D nachweisbar. - Weitere erbliche Blutmerkmale sind: Der P -Faktor: Ein Genort mit mindestens

zwei Allelen, Dominanz von P + über P-. - Die L u t h e r a lutgruppe:n - Be: Ein Genort mit zwei Allelen, Dominanz von Lu(a+) über Lu(a-). - Die Kell-Blutgruppe: Ein Genort mit zwei Allelen, Dominanz von K + über K-. - Die Lewis-Blutgruppe: Ein Genort mit zwei Allelen, Dominanz des Fehlens des Antigens Le(a-) Tiber das Vorhandensein Le(a+). - Die D u f f y- B l u t g r u p p e: Ein Genort mit zwei Allelen, Dominanz von Fy(a+) über Fy(a-). - Die Kidd-Blutgruppe: Ein Genort mit zwei Allelen, Dominanz von Jk(a+) über Jk(a-). - Zahlreiche weitere Antigene sind bisher nur von einzelnen Familien bekannt, doch werden laufend neue erbliche Blutmerkmale gefunden.

Auch eine Reihe erblicher Blutkrankheiten wurde anthropologischwichtig, da sie deutliche regionale und rassische Unterschiede aufweisen. Das S i c h e l z e l 1 e a g e n, das bei Heterozygoten eine sichelartige Verformung der roten Blutkörperchen in sauerstoffarmem Medium (Sichelzellenmerkmal), bei Homozygoten eine schwere, meist tödliche Blutkrankheit (S i c Ii e l z e l l e n a n ii m i e) bedingt, wurde zuerst bei amerikanischen Negern gefunden, während es bei Weißen in den USA so gut wie völlig fehlt. Später wurden Genzentren auch in Indien, Südeuropa und Vorderasien entdeckt. Bei afrikanischen Negriden variiert die Häufigkeit des Sichelzellenmerkmals von 2 bis 44 Prozent. Die großen regionalen Häufigkeitsunterschiede dürften mit der Verbreitung der Malaria zusammenhängen (A l l i s o n) : In Gebieten mit endemischer Malaria ist das Sichelzellenmerkmal häufiger, in malariafreien Gebieten seltener; sichelnde Individuen werden bei Infekten mit Malariaparasiten weniger schwer befallen als andere. Das Sichelzellenmerkmal stellt also offenbar einen Malariaschutz dar, und die Heterozygoten sind daher selektiv begünstigt, während die homozygoten Sichler durch die Sichelzellenanümie, die normalen I iomozygoten durch die Malaria dezimiert werden. Die biochemische Natur des dem Sichelzellenmerkmal zugrunde liegenden defekten Hämoglobins (Blutfarbstoffs) S konnte bereits weitgehend aufgeklärt werden (ein Glutaminsäurerest des normalen Hämoglobins ist durch einen Valinrest ersetzt: molekulare Krankheit nach P a u l i n g). Auch andere abnorme Hämoglobintypen zeigen regionale Häufigkeitsunterschiede (L e h -mann, Neel u. a.).

ERBLICHKEIT VON BEGABUNG UND CHARAKTER (E r b p s y c Ii o-

1 o g i e ). Zwillings- und Familienuntersuchungen haben auch für zahlreiche psychische Merkmale eine Erbkomponente nachgewiesen, doch ist es hier mit Ausnahme bestimmter Schwachsinnsformen bisher nicht möglich gewesen, einzelne Gene zu analysieren. Im Bereich des Psychischen sind die Umweltfaktoren besonders vielschichtig, da die Gesamtheit der kulturellen und sozialen Umwelt an der Ausformung des Phänotypus beteiligt ist. Die Gen-Umwelt-Beziehungen werden ferner dadurch kompliziert, daß beide untereinander korreliert sind: Eltern übermitteln nicht nur ihre Erbanlagen an die Kinder, sondern schaffen auch die Umwelt, in der diese aufwachsen.

Besonders umfangreiches Material liegt über die Erblichkeit der Intelligenz vor, die durch Tests oder durch Lehrerbeurteilung festgestellt wird. EZ sind in allen Versuchsreihen ähnlicher als ZZ, Verwandte um so ähnlicher, je näher der Verwandtschaftsgrad ist; Adoptiv- und Pflegekinder zeigen eine geringere Ähnlichkeit mit den Pflegeeltern als die leiblichen Kinder; die Intelligenz von unehelichen Waisenhauskindern ist korreliert mit der ihrer natürlichen Väter usw. Bei Tierversuchen können intelligente und dumme Stämme gezüchtet werden (T r y o n). Auch die Umweltkomponente tritt jedoch bei solchen Testuntersuchungen hervor: so liegt bei 125 getrennt aufgewachsenen Geschwisterpaaren die Korrelation von 4- 0,25 unter der durchschnittlichen Geschwisterkorrelation von + 0,50 (F r e e i n a n u. a.).

Schöpferische Hoch b e. g a b u n g e n stammen überwahrscheinlich häufig aus Familien, aus denen auch andere bedeutende Persönlichkeiten hervorgegangen sind (G a l t o n, Judo, Woods).

Es sind auch zahlreiche Familien mit Häufungen spezieller Hochbegabungen bekannt, so Familien von Musikern (Bach, Mozart, Strauß, Weber u. a.), Mathematikern (Bernoulli), Naturwissenschaftlern (Darwin, Galton), bildenden Künstlern (Cranach, Holbein, Tischbein u. a.), literarisch-philosophischen Begabungen (Gerok, Hauff, Hegel, Hölderlin, Kerner, Mörike, Schelling, Schiller, Uhland waren miteinander verwandt). Auf der anderen Seite überwiegen unter den zahlreichen S c h w a c h s i n n formen die erbbedingten bei hoher Konkordanz von EZ und hoher Belastungswahrscheinlichkeit für Kinder schwachsinniger Eltern. Weniger umweltlabil als die kortikalen Persönlichkeitszüge (Denkkapazität, Abstraktionsfähigkeit u. a.) sind die endothymen Persönlichkeitszüge (Grundstimmung,Affektivität, vitale Antriebe), und zwar um so weniger, je näher sie der Vitalschicht stehen (Eckle, Gottschaldt). Unter anderem sind EZ ähnlicher als ZZ in Ausdrucksbewegungen und der übrigen Motorik; im persönlichen Tempo, das mit Klopf- und Metronomversuchen bestimmt wird (Frischeisen-Köhler); in der Charakterstruktur (Köhn, Lottig u. a.) und in der Kr i m i n a l i t ä t, und zwar auch in der Art des Vergehens (Verbrechen als Schicksal , Lang e, S t u an p f l u. a.; von 1zi EZ = 72 Prozent, von iii ZZ = 38 Prozent konkordant). Naturgemäß ist es jedoch um so schwieriger, umfangreiche Untersuchungsserien zusammenzubringen, je intensiver die Charakteranalyse ist. Das gilt auch für Familienuntersuchungen, bei denen vielfach Charaktermerkmale durch mehrere Generationen hindurch verfolgt werden können (G o 1 d s c h m i d t, Schultze - N a u m b u r g). Im Tierversuch können ebenso wie kluge und dumme auch kühne und schüchterne, aktive und inaktive, aggressive und scheue Stämme gezüchtet werden.

Die Erbbedingtheit von Begabung und Charakter steckt die Grenzen ab, in denen Erziehung möglich ist. Wo bisher keine zuverlässigen Unterlagen vorliegen oder die individuellen Unterschiede der Modifizierbarkeit sehr groß sind, wird der Pädagoge grundsätzlich Bildungs- und Erziehungsfähigkeit annehmen müssen. Neben solchen sachlichen Gesichtspunkten spielen jedoch bisher auch Vorurteile bei der Beurteilung des Anteils von Erbanlagen und Umwelt gerade auch im Bereich des Psychischen eine Rolle.. So besteht eine deutliche Beziehung zwischen U m -weltoptimismus und Umweltpessimismus auf der einen, politischen Einstellungen auf der anderen Seite: eine hohe Einschätzung von Erb- und Rassenfaktoren findet sich überwiegend bei Vertretern eines politischen Konservativismus, eine optimistische Auffassung in bezug auf die Umweltformbarkeit bei liberalerer politischer Einstellung (N. P a s t o r e).
 
     
     
 
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