|  | Seit gut zehn Jahren stellt sich die     Freundeskreis Ostdeutschland auf Deutschlandpolitischen Kongressen den entscheidenden     Zeitfragen zur Gestaltung der deutschen Gegenwart und Zukunft. Am vergangenen Wochenende     galt der vom stellvertretenden Sprecher der Freundeskreis, Phillip Blandauer, geleitete     Kongreß dem Themenkomplex Osterweiterung der EU, in welche die Interessen der     Heimatvertriebenen unlösbar eingebunden sind. Sie erwarten vor allem von Polen und der     Tschechei vor deren Aufnahme in die Europäische Union  ein klares Wort zum Unrecht der     Vertreibung, zum Recht auf die Heimat, zur Frage des Eigentums der Vertriebenen und zur     Anerkennung der deutschen Volksgruppen. 
 Prominenz aus deutscher und ausländischer Wissenschaft und Politik war aufgefordert,     sich den kritischen Fragen der Ostdeutschland zu stellen. Dafür präsentierte Hinz     Persönlichkeiten, die für kontroverse Diskussionen bürgten. Dies war gewollt; denn     gegensätzliche Positionen sollten offengelegt und nicht verschleiert werden.
 
 Der Göttinger Völkerrechtler Prof. Dr. Udo Fink, sein Warschauer Widerpart Prof. Dr.     Wladyslaw Cza-plinski und der estnische Botschafter Dr. Margus Laidre setzten denn auch am     ersten Kongreßtag in dramatischer Klarheit Punkt und Kontrapunkt  die beiden     Völkerrechtler bereits bei der Methode der Faktenanalyse:
 
 Während Fink in wissenschaftlicher Unvoreingenommenheit nach den völkerrechtlichen     Grundlagen für die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechtes fragte, um dann die     Möglichkeiten für die deutschen Heimatvertriebenen zu erörtern, ließ Czaplinski keinen     Zweifel daran, daß für die polnische Seite die Interessen alles sind, in deren Dienst er     denn auch unbekümmert jeweils brauchbar erscheinende völkerrechtliche Argumente stellte.     Eine unüberbrückbare Kluft schon in der Ausgangslage der Themenaufbereitung.
 
 Fink, der im Gegensatz zu vielen anderen Völkerrechtlern im deutsch-polnischen     Vertrag, der im Umfeld der "kleinen" Wiedervereinigung geschlossen wurde, eine     endgültige Regelung der Territorialfrage sieht, betonte nichtsdestoweniger mit     nachdrücklichem Hinweis auf völkerrechtlich verbindliche Menschenrechtsnormen , daß die     von den Vertriebenen aufgeworfenen Fragen nach wie vor ungelöst seien, und hob besonders     auf die Rechte der deutschen Volksgruppen ab.
 
 Für Czaplinski (der für die offizielle polnische Position stand) ist hingegen alles     endgültig geregelt. Er begründete dies mit dem Potsdamer Abkommen, das mit allen     Konsequenzen Polen die Souveränität über die deutschen Ostgebiete übertragen habe.     Eine auch wissenschaftlich unhaltbare Position, weil es sich in der niemals ratifizierten     Regierungsabsprache zwischen Moskau, Washington und London über den Kopf Deutschlands     hinweg erstens nicht um einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag handelt und zweitens     in diesem Dokument Polen lediglich bis zu einer friedensvertraglichen Regelung beauftragt     wurde, die deutschen Ostgebiete zu verwalten. Für den polnischen Völkerrechtler indes     sind alle nachfolgenden deutsch-polnischen Verträge nichts anderes als Bestätigungen der     angeblich endgültigen Regelung von Potsdam. Deshalb gebe es zwischen Deutschland und     Polen nichts mehr zu verhandeln und nichts mehr zu lösen.
 
 In noch erschreckenderem Maße manifestierte sich die intransigente polnische Haltung     bei der Frage nach der gemeinsamen Werteordnung der Europäischen Union in den diametral     entgegengesetzten Positionen von Warschau und Reval. Laidre betonte, daß Estland nicht     zuerst aus wirtschaftlichen oder sicherheitspolitischen Gründen EU-Mitglied werden wolle,     sondern weil sich Estland ohne Wenn und Aber zur gemeinsamen Werteordnung bekenne und     deshalb auch sein innerstaatliches Recht an ihr orientiere. Deshalb könne auch jeder     Ausländer uneingeschränkt in Estland Eigentum erwerben, und deshalb seien die     Deutsch-Balten herzlich willkommen, wenn sie in Estland wieder von ihrem angestammten     Heimatrecht Gebrauch machen wollten. Die polnische Gegenposition in geradezu brutaler     Klarheit: Das innerstaatliche Recht Polens gehe Brüssel nichts an.
 
 Die Ostdeutschland, die in freundschaftlicher Verbundenheit mit polnischen Partnern für     eine gemeinsame Zukunft in der gemeinsamen Heimat wirken, müssen angesichts der     offiziellen polnischen Haltung damit rechnen, daß der Weg in eine gemeinsame Zukunft noch     lang und beschwerlich sein wird. Für die Bundesregierung (dies zeigte der Kongreß)     ergibt sich die Notwendigkeit, die deutschen Forderungen jetzt auf den Verhandlungstisch     zu legen und nicht erst nach einem EU-Beitritt Polens. Denn: Ein bedingungsloses deutsches     Ja zur Osterweiterung kann die angestrebte gemeinsame Zukunft beider Völker aufs Spiel     setzen.
 
 
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