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Ein EU-Beitritt zweiter Klasse?

 
     
 
Der EU-Beitritt Rumäniens wird langsam zum Hornberger Schießen: viel Aufwand für wenig Wirkung. Alle regierungsnahen rumänischen Zeitungen traten in der dritten Mai-Woche das Thema breit und versuchten, wie die "Cronica romana" vorletzten Sonnabend schrieb, ihren Lesern klarzumachen, "daß der 16. Mai 2006 zum wichtigsten historischen Tag seit Burebista werden sollte" (Anm.: König Burebista war es um 44 v. Chr. gelungen, alle Dakenstämme auf dem Gebiet des heutigen Rumäniens zu vereinigen). Und auch die Opposition blies ins gleiche Horn, selbst wenn sie Mißtöne produzierte.

War die Freude verfrüht? - Erst im Oktober 2006 fällt die endgültige Entscheidung über den Beitritt zum 1. Januar 2007. Um die Gemüter zu beruhigen, lobten EU-Kommission
schef Barroso und Beitrittskommissar Olli Rehn in Bukarest freundlich, was zu Loben war, und bestanden knallhart auf drei Forderungen: politische Stabilität, nationaler Konsens, Glaubwürdigkeit.

Zudem ließen sie durchblicken, Rumänien habe ein Mentalitätsproblem. Viele Rumänen empfanden das als Versuch, ihnen Lektionen zum innenpolitischen Verhalten zu geben, und merkten nicht, daß die beiden "immer größere Schwierigkeiten" haben, den "EU-Kommissaren, dem Europäischen Parlament und den EU-Staaten" den Beitritt Rumäniens, angesichts der unzureichenden Erfüllung der Beitrittskriterien schmackhaft zu machen. Auch gelangt ein anderer Kommentator der "Cronica romana" zur Überzeugung, die "Rumänen haben kein Geld, haben keine Mentalität und verfügen nicht über die nötige Kompetenz" für den Beitritt, daher "werfe die Europäische Kommission, weit davon entfernt, uns zu helfen, Stöcke in die Beine der Rumänen". Liest man, was "Jurnalul national" am 19. Mai schrieb, sieht das alles schon merkwürdig aus: "Acht Staaten sind es, welche die Ratifizierung des Beitritts hinausschieben: Holland, Frankreich, Deutschland, Irland, Finnland, Dänemark, Luxemburg und Belgien."

Rumänische Politiker bleiben optimistisch. So bezeichnete Premier Calin Popescu-Tariceanu den Fortschrittsbericht als "den günstigsten, den Rumänien jemals erhalten habe", und bei den vier Kritikpunkten, die von den 14 des letzten Berichts im Oktober 2005 übriggeblieben sind, handle es sich um "Probleme rein technischer Art".

Im Rundfunksender BBC-Rumänien stellte ein Präsidial-Kommuniquée die positiven Ergebnisse bei der Bekämpfung der Korruption, beim Umweltschutz, der öffentlichen Verwaltung, der Lage der Minderheiten und des Kinderschutzes heraus. Im selben Sender äußerte der Chef der rumänischen Sozialdemokraten, Mircea Geoana, seine Befürchtung, daß Rumänien weniger EU-Gelder erhalten werde. Als Ursache der Aufschiebung eines Endbescheids sieht er die "politische Instabilität in Rumänien, das Fehlen eines Minimums an Dialog".

All dessen ungeachtet: Kaum hatte die EU-Kommission bekanntgegeben, Rumänien könne 2007 unter Auflagen in die EU aufgenommen werden, gerieten in der rumänischen Hauptstadt exklusive Boutiquen und Herrenausstatter in helle Aufregung, winkt ihnen doch ein Riesengeschäft: Man könne sich bei der EU ja nicht in Alltagsklamotten oder gar in der rumänischen Volkstracht präsentieren. Rumänien wird, wie die Zeitung "Romania libera" schreibt, beim Beitritt eine Reihe von "extrem großzügig" dotierten Ämtern erhalten: 33 Sitze im Europa-Parlament (je Platz und Monat rund 7000 Euro Gehalt plus 7000 Zuschuß), es wird einen EU-Kommissar (monatlich 12000 Euro netto) und einen Richter beim Gerichtshof stellen und Amtsträger bis zum stellvertretenden Generaldirektor in der EU-Kommission.

Aus einer ganz anderen Sicht geht die im siebenbürgischen Tirgu Mures erscheinende Tageszeitung "Cuvintul liber" ("Das freie Wort") die Problematik des EU-Beitritts an: "Für viele arme Rumänen identifiziert sich Europa faktisch mit den bettelnden Romas in europäischen Metropolen, mit unseren ,Folkore -Musikanten an Straßenecken, und nicht zuletzt mit unseren leicht bekleideten ,Botschafterinnen ." Der Autor betont, daß nicht nur Rumänen derartigen Beschäftigungen nachgehen, klagt aber die Regierenden an, "viel zu wenig" getan zu haben, damit jeder versteht, daß "das Europa in uns [...] keineswegs das wirkliche Europa [ist]". Europa darf von den Rumänen nicht begriffen werden "als das Paradies der Prostituierten, der Bettler, Verbrecher", sondern "als ein Modell der Errichtung mit Werten, die wir uns anzueignen bemühen".
 
     
     
 
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