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Noch bis zum 16. Januar 2000 ist im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe die in vielerlei Hinsicht bemerkenswerte Ausstellun "Meisterwerke russischer und deutscher Kunstphotographie um 1900" zu sehen. Die Ausstellung dokumentiert das hohe Niveau der deutschen und russischen Kunstphotographie u die Jahrhundertwende. Für dieses Niveau stehen auf deutscher Seite vor allem die Brüde Hofmeister und auf russischer Seite Sergej Lobovikov, von denen die meisten Expo
nate de Ausstellung stammen. Daß diese Ausstellung überhaupt zustande gekommen ist, ist de beiden Gasgesellschaften Wintershall und Gazprom zu verdanken, die bereits seit Jahre zusammenarbeiten, um die künstlerischen Werte Rußlands der deutschen Öffentlichkei näherzubringen.

Über das Werk Sergej Lobovikovs gab es bereits 1995 eine Ausstellung in Kassel, Moska und anderen russischen Städten. Der aktuelle Anlaß, den russischen Photoklassike Lobovikov nach der Einzelausstellung im Jahre 1995 nochmals zu würdigen, ist ein Ausstellung im Jahre 1911 im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe, an der auc Lobovikov teilnahm. Diese Teilnahme ließ die Idee reifen, Lobovikov nochmals in Hambur auszustellen – und zwar in Verbindung mit seinen zeitgenössischen deutsche Kollegen, den Brüdern Hofmeister und ihrem Kreis, deren Werke im übrigen ebenfalls 191 in Hamburg zu sehen waren.

Die verbindende Klammer zwischen Lobovikov und den Brüdern Hofmeister liegt wohl in ihrer Nähe zur "Seele" ihrer Völker. So weist Claudia Gabriela Philipp in ihrem Beitrag für den vorzüglichen Katalog zur Ausstellung darauf hin, daß die Hofmeistersche Bildsprache mit dem nationalen Element in Verbindung stehe. Ein Zeitgenoss urteilte: "... das uns Deutschen eigene Gemüt drückt sich in ihren Bildern fas ausnahmslos aus." Ähnlich wird Lobovikov als derjenige russische Photokünstle angesehen, der der "russischen Seele" Ausdruck verliehen hat.

Die Bedeutung der Brüder Hofmeister erschöpft sich allerdings keineswegs in "deutschen Charakter" ihrer Sujets. Einen internationalen Ruf erwarben sie sic vor allem aufgrund ihrer meisterhaften Beherrschung des großformatige Kombinations-Gummidruckes. Dieses Druckverfahren, das der Franzose Alphonse Louis Poitevi 1855 erfand, war vor allem in der Zeit zwischen 1895 und den zwanziger Jahren als Kopiertechnik für große, farbige und repräsentative Bilder unter den damalige Kunstphotographen sehr beliebt. Einmal ermöglichte dieses Verfahren, daß der Künstle quasi zu jedem Zeitpunkt in den Prozeß eingreifen konnte. Zum anderen lag der Reiz de Ergebnisse dieses Verfahrens in seiner Nähe zur Malerei. Diese Nähe wurde durch ein extravagante Rahmung, von der sich der geneigte Besucher der Ausstellung selbst eine Eindruck verschaffen kann, noch unterstrichen. Der "malerische Charakter" de Photographien gehörte im übrigen zum Selbstverständnis der Kunstphotographen um die Jahrhundertwende. Wie die Brüder Hofmeister war auch Lobovikov der Überzeugung, da sich die Photographie an den ästhetischen Kategorien der Malerei jener Zeit zu orientieren habe.

Charakteristisch für Gummidrucke ist eine ausgeprägte Kornstruktur und, je nac Größe des Druckes, eine mehr oder weniger grobe Papierstruktur. Der Gummidruck verlang viel Übung, bietet aber die größten Möglichkeiten der Bildgestaltung. Hierin bestan die Meisterschaft der Brüder Hofmeister und des Russen Lobovikov.

Wie sehr künstlerische Intention und Technik ineinanderspielten, zeigen im Katalo dokumentierte Selbstaussagen Lobovikovs. "Den Photograph", so steht an eine Stelle zu lesen, "benutze ich wie einen Pinsel, mit dessen Hilfe sich mein Geschmac und meine künstlerische und ästhetische Ausrichtung überträgt." Daß dies "Pinselführung" nur über eine perfekte Beherrschung der Technik erreichba ist, macht Lobovikov unmißverständlich klar: "Viele glauben", so erklärt er "daß der Erfolg eines Photographen nur in einem guten Apparat begründet ist un nicht im Photographen selber. Welch ein Irrtum! Spricht man von der unabdingbare Notwendigkeit, sich mit der Perspektive und den Farben der Natur auszukennen, so darf ma die Bedeutung des Entwicklungsprozesses nicht außer acht lassen. Bei der Entwicklun zeigt sich von den allerersten Schritten an, ob der Photograph ein Künstler ist, oder o es ihm an Talent fehlt".

Aufschlußreich sind auch Lobovikovs Notizen zum Stand der Kunstphotographie im Rahme der Pariser Weltausstellung im Jahre 1900. Seine ausländischen Kollegen beschrie Lobovikov wie folgt: "Bei den Franzosen sind es die unnachahmlichen Porträts un deren Ausleuchtung, bei den Deutschen ist es die Technik, die Engländer haben die Ausstellung fast ausschließlich mit Landschaften überschwemmt, und, man muß es ihne lassen, ihre Landschaften sind echte Gemälde ..."

Damit hier kein falscher Eindruck von der deutschen Kunstphotographie entsteht: Die Technik, die z. B. die Brüder Hofmeister so perfekt beherrschten, diente ihnen immer nu als Mittel zum Zweck. Zweck war die Gestaltung der eigenen Ideen. So betonte Theodo Hofmeister: "Daß es für mich und meine intimeren Kollegen im Gummidruck heute kein Zufälle mehr gibt, sondern daß ich in jeder Art dieser Technik, ob mehrfarbig ode einfarbig, alles das erreichen kann, was ich erreichen will. Es sind daher die Farbstimmungen in meinen Bildern durchaus keine zufälligen, sondern absolut beabsichtigt und gewollte und wurden dem jeweiligen Vorwurf nach unserem Willen angepaßt." Zu de Vorteilen des Gummidruckes sind u. a. zu zählen: Einmal die Möglichkeit, Einzelheiten in Bilde zu unterdrücken oder zu mildern. Zum anderen Stimmungen in das Bild einzubringen die dem Negativ fehlen. Schließlich können durch Übereinanderdrucken verschiedene Farben Effekte erzielt werden, die nur der Gummiprozeß zuläßt.

Farbe setzten die Brüder Hofmeister, davon kann sich der Besucher der Hamburge Ausstellung überzeugen, keineswegs realistisch ein. Farbe diente ihnen vielmehr als Transportmittel für Empfindungen und Stimmungen. In diesem Zusammenhang sei nur auf da wohl bekannteste Bild der Brüder Hofmeister verwiesen: auf den "Einsame Reiter" (1904), der die oben beschriebenen Intentionen der Künstler mustergülti verkörpert.

Es greift deshalb keineswegs zu weit, wenn ein Kritiker zum Œuvre der Brüde Hofmeister feststellt: "Die Brüder Hofmeister prägen den Kombinations-Gummidruck zu einer nordisch mystischen und symbolistischen Form". Von der Richtigkeit diese Urteiles kann man sich entweder in Hamburg selber oder mittels des gerade im Buchhande erschienenen Buches, das mit dem Katalog identisch ist, überzeugen.

K. W. Kopanski / C. G. Philipp: Meisterwerke russischer und deutscher Kunstphotographi um 1900. Sergej Lobovikov und die Brüder Hofmeister, Prestel Verlag u. Hamburger Museu für Kunst und Gewerbe, München 1999, broschiert, 224 Seiten, 49,80 DM (Katalog) Darüber hinaus ist seit dem 5. Oktober eine gebundene Ausgabe des Prestel-Verlages in Buchhandel erhältlich.


 
     
     
 
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