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Die Lage in Ungarn bleibt angespannt. Die Demonstrationen und die schweren Verluste der Regierungsparteien bei den Regionalwahlen vom 1. Oktober geben der Opposition zwar weiteren Auftrieb. Zugleich aber werden die sozialistischen und liberalen Koalitionspartner noch enger aneinandergekettet, denn beide wissen, daß vorgezogene Neuwahlen sie aus ihren Ämtern fegen würden. Der liberale Juniorpartner, die "Partei der Doppelstaatsbürger", würde vermutlich gar nicht mehr ins Parlament kommen.

Die Forderung nach einem Mißtrauensvotum, zunächst vorsichtig von Staatspräsident Solyom formuliert und dann in Klartext auch von Viktor Orbán, dem Chef der großen Oppositionspartei Fidész-MPP, war natürlich nur Theaterdonner, denn mit 210 von 386 Abgeordneten verfügt die Regierung über eine komfortable Mehrheit. Tatsächlich sprachen am 6. Oktober 207 Parlamentarier Ministerpräsident Gyurcsány das Vertrauen aus. Am Abend gab es dann die bisher größte Demonstration in Budapest
- in Erwartung des Abstimmungsergebnisses hatte Orbán vorsorglich schon zwei Tage früher dazu aufgerufen.

Die Spaltung der ungarischen Gesellschaft tritt immer deutlicher zutage. Gyurcsánys "Lügen-" oder "Skandal-Rede", deren Bekanntwerden die Demonstrationen ausgelöst hatte, brachte dem Ministerpräsidenten nämlich auch Sympathien ein, darunter von manchen Intellektuellen und Schriftstellern. Weitestgehend einig ist man sich in Ungarn lediglich in der Ablehnung von Ausschreitungen, wie sie anfangs vorkamen - und wieder vorkommen könnten. Die kleine Gruppe von Krawallmachern besteht hauptsächlich aus Rowdies des Fußballvereins Ferencváros.

Hauptproblem des Landes ist und bleibt die Wirtschaftspolitik. Denn ein bescheidenes Sparpaket könnte die Sünden der Vergangenheit niemals bereinigen, drastische Maßnahmen aber, wie von Gyurcsány eingeleitet, schaffen selbst wieder Probleme: Höhere Steuern reduzieren die Real-Einkommen und damit die Binnennachfrage. Die reduzierte Nachfrage zwingt die Unternehmen zur Reduzierung von Investitionen. Die Anhebung der Zinsen trifft vor allem kleinere Unternehmen, die nur für den Binnenmarkt produzieren. All das erhöht die mit 7,7 Prozent derzeit noch knapp unter dem EU-Durchschnitt liegende Arbeitslosigkeit - wieder mit entsprechender Rückwirkung auf Steueraufkommen, Budget-Defizit und Kaufkraft. Arbeitsplatzschaffende Neuinvestitionen hängen somit primär von EU-Fördermitteln ab - und die wiederum werden nur gewährt, wenn die von der EU geforderten drastischen Sparmaßnahmen durchgezogen werden. Das Verständnis des Normalverbrauchers ist da überfordert.
 
     
     
 
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