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Ende der Kulturbarbarei

 
     
 
"Segen und Macht der Seßhaftigkeit. (...) Ich habe meine Heima wiedergefunden", kommentierte Gerhart Hauptmann den Einzug ins neue Domizil in Agnetendorf am 10. August 1901. Fast hundert Jahre später wird seine Wohnstätt aufwendig restauriert und alles für das anstehende große Jubiläum des "Hause Wiesenstein" hergerichtet.

Wer das Dörfchen Agnetendorf in Niederschlesien besucht, begreift schnell, wa Hauptmann an dem Ort so faszinierte. Die idyllische Lage am Fuße des Riesengebirge
s, die dunklen Wälder und die von ihm ausdrücklich gelobte kristallklare Luft begeistern noc heute.

Agnetendorf (Jagniatków) liegt abseits der Hauptrouten und ist nicht ganz leicht zu finden. So manche deutsche Touristen folgen daher einfach einem anderen Auto mit de "D"-Schild in der Hoffnung, daß es dasselbe Ziel hat. Auch das Anwesen de Dichters ist schwer auszumachen. Liegt das von Wald umgebene Gebäude dann jedoch vo einem, ist fofort klar: Es muß sich um den gesuchten Ort handeln, denn anders als die üblichen Häuser im Dorf ist es kein Einfamilienhaus oder Gehöft, sondern eine nobl bürgerliche Wohnstätte mit burgartigem Charakter.

Vor dem Gebäude verdeutlichen Verkaufsstände fliegender Händler, die Schnitzereie und Kristall anbieten, das neuerwachte Interesse. Baugerüste zeugen von den aktuelle Restaurierungsarbeiten.

Der am 15. November 1862 im schlesischen Ober-Salzbrunn geborene Gerhart Hauptman besaß gleich mehrere Domizile: Neben dem Wohnsitz in Agnetendorf verfügte er über ei Haus in Erkner bei Berlin und über eine Sommerresidenz auf der Insel Hiddensee. Das Hau Wiesenstein war aber alles andere als eine beliebige Wohnung und bildete seine Zuflucht in schlimmer Zeit. Nicht von ungefähr lauteten Hauptmanns letzte Worte auf dem Sterbebett in Juni 1946: "Bin ich noch in meinem Haus?"

Über ein halbes Jahrhundert nach seinem Tod erlebt der Schriftsteller in seine schlesischen Heimat eine Renaissance. Das 53 Jahre lang als Erholungsheim für Kinde genutzte Haus Wiesenstein soll eine Gedenk-, Forschungs- und Begegnungsstätte werden berichtet Wanda Banaszak. Sie wohnte ein Vierteljahrhundert als Heimleiterin neben de Schlafzimmer des Dichters und pflegte schon zu kommunistischen Zeiten vereinzelte Touristen gern die Tür zu öffnen zur "Paradieshalle" mit den gemalte Gestalten aus Hauptmanns bekanntesten Werken.

Spätestens am 10. August 2001 werde das renovierte Haus feierlich wiedereröffnet hofft Frau Banaszak. Zur Zeit steht es leer – so leer, wie 1901 beim Einzug de bereits durch Frühwerke wie "Die Weber" bekanntgewordenen Dichters oder wi nach dem Abtransport der Hinterlassenschaft in den Wirren der Nachkriegszeit.

In den 1990er Jahren kamen immer mehr Besucher nach Agnetendorf, erzählt die studiert Pädagogin Banaszak. Sie schätzt, daß es im letzten Jahrzehnt pro Saison rund 10 00 Touristen waren, hauptsächlich Deutsche und einige wenige Polen. Zwar wachse da Interesse ihrer Landsleute an dem großen deutschen Dichter stetig, versichert sie, un verweist darauf, daß man an der Universität Breslau derzeit Werke Hauptmanns in Polnische übertrage, doch abgesehen von dem längst übersetzt vorliegenden Dram "Die Weber" sei sein Schaffen praktisch unbekannt.

Dank Geldern aus Deutschland haben Krakauer Restauratoren bereits 1992 die Wandgemäld in der "Paradieshalle" wiederhergestellt. Ein Engel mit Geigen weist den Weg in Konzertzimmer, in dem Hauptmanns zweite Frau Margarete musizierte. Zur Zeit de Kinderheimes befand sich hier der Speisesaal.

Die einstige Bibliothek ziert mittlerweile ein gut erhaltenes Parkett, das unter eine Linoleumbezug die Jahrzehnte roter Kulturbarbarei überdauerte. Ein Goldrahmen, de völlig verstaubt auf dem Boden aufgefunden wurde, schmückt in dem gähnend leere Arbeitszimmer ein Farbporträt Hauptmanns, und die Büste, die ihm 1942 zum 80. Geburtsta von Arno Breker zugeeignet worden war, steht kommentarlos auf einem Tisch am Fenster.

Nach dem Tod des Schriftstellers am 6. Juni 1946 war das Haus total leergeräum worden; die sowjetische Militärverwaltung gestattete der Witwe den Abtransport de Mobiliars per Sonderzug nach Berlin.

Um über die künftige Ausstattung des großzügigen Hauses nachzudenken, fanden sic 1999 Nachkommen des Dichters mit Abgesandten des Hauptmann-Museum in Erkner, der Stiftun für deutsch-polnische Zusammenarbeit und Vertretern der Stadt Hirschberg als heutige Hausherrin zusammen.

Urenkelin Harriett Hauptmann aus Berlin deutete an, wie Abhilfe zu schaffen sei. Zwa sollten die in der Hauptstadt vorhandenen Sammlungen und das Haus auf Hiddense unangetastet bleiben, je-doch befänden sich schöne Stücke im Familienbesitz, mit dene Agnetendorf bereichert werden könnte.

Auch Hirschbergs Vize-Bürgermeister Boguslaw Galka gab sich zuversichtlich. Die Stad habe umfangreiche Summen für Reparaturen zurückgestellt, betonte er, zudem verfüge da Museum in Schreiberhau, in dem die Hauptmannbrüder Gerhart und Carl mehrere Jahre geleb hatten, über gute Bestände.

Alle waren sich einig, daß eine Bibliothek sowie Wohn- und Arbeitsmöglichkeiten fü Wissenschaftler Teil des neuen Hauses Wiesenstein sein müssen und daß angesichts de nahenden Jubiläums die Zeit eilt.

Das "Haus Wiesenstein" kann werktags von 10.00 bis 15.00 Uhr besichtig werden.

 
     
     
 
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