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Energiegeladen

 
     
 
Bei den deutsch-russischen Konsultationen in Tomsk, die letzte Woche stattfanden, ließen sich durch alle diplomatischen Floskeln hindurch Verstimmungen heraushören. So äußerte sich Angela Merkel im Hinblick auf die zum Medienthema gewordene Energiepartnerschaft mit Rußland mit den aussagekräftigen Sätzen: "Es ist natürlich so, daß wir in Europa und auch in Deutschland Rohstoffe
brauchen ... Es ist gut, daß wir mit Rußland sprechen können." Gesprochen haben sie in der Tat miteinander, Merkel und Rußlands Präsident Putin, und zwar auch über die Reizthemen Alexander Lukaschenko, die neue Hamas-Regierung und natürlich über das Atomprogramm des Iran. Hier scheint Putin wohl aber aus der Sicht Merkels eine gewisse Unnachgiebigkeit gezeigt zu haben, die die deutsche Kanzlerin mit der vielsagenden Formulierung, daß man "ungewöhnlich intensive Gespräche" geführt habe, umschrieb. Deutlicher wollte sie sich nicht äußern, was angesichts eines Warenaustauschs in Höhe von etwa 32 Milliarden Euro zwischen beiden Ländern wohl auch nicht angezeigt ist. Vorrangig ist, daß die deutschen Energiekonzerne "E.on" und "BASF" Anteile an dem Gasförderprojekt "Juschno-Rosskoje" erhalten, worüber derzeit verhandelt wird. Die dortigen Reserven werden auf 500 bis 700 Milliarden Kubikmeter geschätzt, was laut "FAZ" den deutschen Gasverbrauch für fünf bis sieben Jahre decken könnte.

Von russischer Seite relativiert wurden die energiepolitischen Muskelspiele der russischen Staatskonzerne "Gasprom" und "Transneft"; letzterer verfügt über das mit einer Länge von etwa 50000 Kilometer derzeit größte Pipeline-System der Welt. "Gasprom" drohte, sich nach neuen Absatzmärkten, insbesondere in Asien und Nordamerika, umzuschauen, wenn seine wirtschaftlichen Aktivitäten in Europa weiter behindert würden. "Transneft" ist laut "Manager-Magazin" der Meinung, daß die Preise für Erdöl in Europa "zu niedrig" seien, und denkt laut darüber nach, "Öl nach China, Südkorea, Australien und Japan" umzuleiten. Dessen Firmenchef Wainschtok macht sich für den Bau einer Asien-Pipeline stark, mit der das russische Öl anders verteilt werden könnte. Bei einer Länge von mehr als 4000 Kilometer würde diese Pipeline allerdings die horrende Summe von zirka elf Milliarden Dollar kosten.

Hinter diesen offenen und versteckten Drohungen in Richtung Europa steht wohl auch der Versuch, mittels energiepolitischer Drohkulissen dem geostrategischen Ziel eines "gemeinsamen Wirtschaftsraums" Rußland-Europa näher zu kommen. In diesem Zusammenhang wird wohl auch die deutsch-russische Außenhandelskammer zu sehen sein, die noch in diesem Jahr geschaffen werden soll.

Daß die russischen Drohungen vor allem den Amerikanern in die Hände arbeiten, zeigt ein Beitrag des für US-Interessen tätigen Lobbyisten und Multimilliardärs George Soros, der sich für die "Demokratisierung in ehemaligen Staaten der Sowjetunion" engagiert und in Rußland "Putin-kritische Bürgerrechtsgruppen" unterstützt. Er kritisierte in einem Artikel für die "Financial Times", daß "Gasprom" zu einem "machtvollen Instrument großmachtpolitischer russischer Außenpolitik" geworden sei und Europa Gefahr laufe, von einem "Monopolkonzern" abhängig zu werden. Putin habe angeblich ein "Netzwerk undurchsichtiger Unternehmen" geschaffen, das der persönlichen Bereicherung der Beteiligten und der "Erpressung der Nachbarstaaten" diene. Europa solle Rußland deshalb drängen, die Europäische Energiecharta zu unterzeichnen, damit die Machtverhältnisse wieder ausgeglichen würden. Mit dieser Forderung dürfte Europa bei Putin allerdings auf Granit beißen, würde doch eine Ratifikation der Energiecharta ausländischen Investoren gleiche Rechte wie russischen gewähren, die damit entsprechend Einfluß auf die russische Energiepolitik nehmen könnten.

Wie sehr Rußland und Europa trotz aller aktuellen Dissonanzen energiepolitisch tatsächlich aufeinander angewiesen sind, zeigen folgende Überlegungen. Wenn Rußland zum Beispiel den Export von Gas nach China erheblich ausweiten würde, könnte es sicherlich die strategische Partnerschaft mit Peking ausbauen. China hingegen wäre als Abnehmer in der bequemen Lage, zwischen Rußland, dem Iran und Indonesien als Anbieter wählen zu können, was aufgrund der dann gestiegenen Abhängigkeit vom chinesischen Markt wohl kaum in russischem Interesse liegen dürfte. Deshalb wird es wohl bestenfalls zu einem eher moderaten Ausbau der Pipelines in Richtung China kommen. Dennoch ist aus europäischer Sicht nicht alles eitel Sonnenschein: Zum neuralgischen Punkt der europäischen Gasversorgung könnte in Zukunft nämlich möglicherweise Turkmenistan werden, von dem derzeit nicht klar ist, ob es für Rußland als Lieferant erhalten bleibt oder sich vollkommen dem asiatischen Markt zuwendet.
 
     
     
 
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