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Europa à la Brüssel - adieu

 
     
 
Die Krokodilstränen flossen in Strömen: Nach dem gescheiterten EU-Gipfel wähnten Übereifrige bereits den Untergang des Abendlandes (oder zumindest eines Teiles von ihm) in Sichtweite. Keine Verfassung, kein Haushaltsplan, was soll da aus Europa werden?

Der deutsche Bundeskanzler hatte noch bis zuletzt versucht, zu retten, was nicht mehr zu retten war. Wie üblich, auf Kosten der ihm und seinem Finanzminister ausgelieferten Steuerzahler
: Deutschland könne doch, um England und Frankreich und Holland und alle anderen bei Laune zu halten, ein, zwei Milliarden mehr als ursprünglich vorgesehen in die Gemeinschaftskasse einzahlen - wir habens ja (obwohl wir es eigentlich nicht haben)! Den Partnern war das Angebot entweder zu mickrig oder zu unsicher; daß Schröder wohl nicht mehr lange Kanzler ist, hat sich auch in Brüssel herumgesprochen - da kann er viel versprechen, wer weiß, ob die Nachfolger in Berlin sich daran halten.

Als nächstes versuchten die zehn neuen Mitglieder, die Kuh Europa von Brüsseler Eis zu bringen, ebenfalls vergebens. Ihr großzügiges Verzichtangebot entsprang wohl auch der Erkenntnis, daß die Osterweiterung längst als eine der Ursachen für Unregierbarkeit und Unfinanzierbarkeit ausgemacht ist - da wollten die Neuen verständlicherweise den "Schwarzen Peter" loswerden.

Daß wenigstens dies funktionierte, besorgte nach dem Scheitern des Gipfels Kanzler Schröder. Schnell hatte er den wahren Bösewicht entlarvt: Tony Blair, der ja auch schon früher durch uneuropäischen Proamerikanismus unangenehm aufgefallen war. Die Sturheit des Briten, so die Klage des Deutschen, habe Europa zu Fall gebracht.

Teilweise hat Schröder damit sogar recht. Es war in der Tat der stur auf dem einst von der Eisernen Lady ausgepokerten Beitragsrabatt beharrende Premierminister, der diesem Europa nach Brüsseler Façon den Todesstoß versetzte. Aber dafür sollte man ihn nicht beschimpfen, sondern ihm danken. Blair und sein niederländischer Kollege Balkenende haben vollendet, was zuvor französische und holländische Wähler eindrucksvoll in Gang gesetzt hatten. Ein solches Europa, wie es sich die Bürokraten und Zentralisten und Polit-Funktionäre (vor allem zu ihrem eigenen Wohle) ausgetüftelt haben, wird es nicht geben.

Blair und Balkenende haben dem europäischen Zug, der spätestens mit dem Maastricht-Vertrag aufs schiefe Gleis geraten war und seither mit überhöhtem Tempo in die falsche Richtung rast, die Signale auf Halt gestellt. Was die gipfelselig versammelten Bahnsteigvorsteher nicht hätte überraschen dürfen; schließlich waren die Vorsignale (um in der Eisenbahner-Sprache zu bleiben) in zwei Referenden unübersehbar auf Gelb gestellt worden.

Wer am ehesten die EU-unfreundlichen Zeichen der Zeit erkannt hatte, waren die Türken. Eindeutig hatten Franzosen und Holländer mit ihrem Nein zur Verfassung auch einer Erweiterung über die geographischen und geistig-kulturellen Grenzen des Kontinents hinaus einen Riegel vorschieben wollen. Dank Blair und Balkenende ist das auch gelungen. In Deutschland zielt die Stimmung des - leider nicht gefragten - Volkes in dieselbe Richtung. Sollte da noch ein Politiker auf die Idee kommen, die Türkei-Frage dürfe "kein Wahlkampfthema sein", braucht er zur Wahl gar nicht erst anzutreten. Denn noch ist es nicht zu spät, die Weichen wieder richtig zu stellen - für Deutschland und für Europa. Juliane Meier
 
     
     
 
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