A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
     
 
     
 

Europas Kunstfreunde schauen auf Berlin

 
     
 
Wer kann sich schon vorstellen, ein Atelier zu betreten, um ein Bild zu kaufen? So was machen nur Millionäre oder Kunstkritiker, lautet das Vorurteil. Zumindest in der deutschen Hauptstadt stimmt das nicht mehr. Dort ist der Kauf eines Kunstwerks zu einem Stück Kultur für jedermann geworden.

Gern rechnet der Senat diese Zahlen vor: Es gibt in Berlin mehr als 21000 Betriebe der Kulturwirtschaft mit einem Umsatz von mindestens acht Milliarden Euro
- elf Prozent des Berliner Sozialprodukts. 100000 Berliner bestreiten mit Kunst ihren Lebensunterhalt. "Die Anzahl der selbständigen Künstler in Berlin ist seit 2000 um über 40 Prozent angestiegen", jubelt die Landesregierung.

Entgegen einem weiteren Vorurteil handelt es sich in der großen Mehrheit nicht um vom Staat (also mit Steuergeldern) oder von reichen Mäzenen gehätschelte Vernissagenstars. Die meisten Künstler müssen sehen, wie sie ihre Werke an den Kunden bringen, um zu überleben. So hat sich in der deutschen Metropole ein einzigartiges Netz von Kleingalerien entwickelt, in denen ein Kunstmarkt brodelt, der alles Elitäre abgeworfen hat.

Hier ist die Geschichte von einer von ihnen:

Es ist Freitagmittag, Carol Thiele sitzt allein in ihrer Galerie "Meisterschüler". Der Boden ist mit Farbe bekleckert. Die Galerie ist nämlich auch Atelier. Nur jetzt ist noch keiner der Maler zu sehen. Thiele schaut auf die Uhr, kurz nach eins. "Das sind Künstler", seufzt sie. So früh fangen die nicht an zu arbeiten.

Carol Thiele spricht über ihre Geschäftsidee, den schwierigen Weg in die Selbständigkeit. Im Sommer 2004 hatte sie ihren letzten Arbeitstag als Angestellte. Sie war 20 Jahre in der Werbung tätig gewesen. "Da habe ich mich viel rumgetrieben auf Kunstausstellungen", bekennt sie freimütig.

Dabei kam ihr die zündende Idee, mit der sie glaubte, erfolgreich ihr eigener Chef werden zu können. "Eigentlich ist es ganz einfach: Es gibt ein großes Loch zwischen der "Ikea"-Kunst und der richtigen Kunst, wie sie in traditionellen Galerien gehandelt wird." Mit "Ikea"-Kunst meint sie die zweitklassigen Drucke und die gerahmten Fotos, die das Möbelhaus billig verramscht.

Thieles (inzwischen sogar patentierte) Idee: Ein Marktplatz, der die Bedürfnisse dazwischen befriedigt. Echte Kunst - Originale! - zu einem bezahlbaren Preis. Die Bilder, die sie zur Zeit im Angebot hat, kosten zwischen 30 und 4000 Euro, im Durchschnitt rund 600, rechnet sie.

"Meine Idee ist eine Kombination zwischen Galerie, Atelier und Café." Durchschnittsbürger, die sich ein Bild ins Wohnzimmer hängen möchten, trauen sich oft nicht in eine Galerie, hat Thiele herausgefunden. "Da gibt es eine Schwellenangst bei den nichtprofessionellen Kunden."

Ende 2004 ist sie aus Wiesbaden nach Berlin umgezogen. Die hessische Landeshauptstadt war nicht "das geeignete Pflaster" für diese Art von Geschäft. Nirgendwo jedoch ist die Kunstszene größer als in Berlin. Die Stadt weist mit sechs Prozent - bezogen auf die Einwohnerzahl - die höchste Dichte an Künstlern auf. Als Standort für ihre Galerie wählte sie ein 280-Quadratmeter-Ladengeschäft in der Friedrichstraße - ganz in der Nähe vom Checkpoint Charlie.

Hier kommen die Künstler und Kunden zusammen. Aber nicht jeder, der ihre Galerie betritt, kommt in Kaufabsicht. "Manche trinken auch einfach nur einen Latte Macchiato." Wenn sie dann mit den Kunstschaffenden ins Gespräch kommen - um so besser.

Das Gespräch zwischen Künstler und Käufer sei viel besser als zwischen Galerist und Käufer. "Wenn der Maler über sein ‚Baby spricht, dann bringt das dem möglichen Käufer viel mehr", so Thiele.

Und wie läuft das Geschäft? Die Miete ist natürlich hoch. Sie spricht nicht über die Summe, weil "ich einen Deal mit dem Vermieter habe".

Ein Immobilienmakler taxiert die Miethöhe in der Lage auf "ungefähr 3000 Euro". Mindestens. Insgesamt hat Thiele bestimmt monatliche Fixkosten von 5000 Euro. Trotzdem rechnet sich ihr Laden. Im Juli, so hat sie es dem Magazin "Impulse" verraten, hat sie erstmals schwarze Zahlen geschrieben.

Ihre wachsende Kundenzahl - das ist eine neue Schicht von Kunstinteressierten. "Die Leute rennen alle in die Museen, ,Moma (die Schau des New Yorker "Museum of Modern Art", die in Berlin gastierte) oder Van Gogh, und dann wollen sie auch ein echtes Bild im Wohnzimmer hängen haben." Und: Wer heutzutage 2000 Euro für einen Flachbildschirm ausgebe, der gebe auch den gleichen Betrag für ein schönes Bild aus.

"Das ist eine richtig neue Zielgruppe. Früher war der Besitz eines Bildes, eines Originals unbezahlbar. Aber inzwischen gibt es ein ausreichendes Angebot an bezahlbarer Kunst", berichtet sie. Und nirgendwo sei Kunst so günstig zu haben wie in Berlin.

80 Prozent der Kunden sind nicht aus Berlin, 70 Prozent sind nicht einmal Deutsche, sondern ausländische Touristen. "Neulich kam ein Schwede und hat fünf Bilder auf einen Schlag gekauft", strahlt die Unternehmerin. Ausgerechnet aus Schweden - von da, wo auch "Ikea" herkommt. (www.
 
     
     
 
Diese Seite als Bookmark speichern:
 
     
     
     

     
 

Weitere empfehlenswerte Seiten:

Sinnloser Gipfel

Lisu

Für Sie entdeckt

 
 
Erhalten:
kunstfreunde
 

 

   
 
 
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11
WISSEN48 | ÜBERBLICK | THEMEN | DAS PROJEKT | SUCHE | RECHTLICHE HINWEISE | IMPRESSUM
Copyright © 2010 All rights reserved. Wissensarchiv