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Fast zwischen die Fronten geraten

 
     
 
Ein Besuch im Rheinsberger Schloß brachte eine unerwartete Begegnung. Nahezu betäubt von den zahlreichen Porträts, die den ehemaligen Hausherrn Prinz Heinrich von Preußen, seine Verwandten und Freunde zeigten, fiel dem Besucher ein Gemälde besonders auf. Anstelle der meist wasserblauen Augen der Preußenfamilie blickte von einer Leinwand ein ganz anders anmutendes Antlitz auf den Besucherstrom herunter. Selbst der Pinselstrich des Malers schien ein anderer, ein energischer zu sein.

Ein Blick auf die Informationstafel brachte Aufschluß: „David als Sieger über Goliath“ war dort zu lesen, gemalt von Michael Willmann, dem großen Meister des Barock. Das Bild ist eine Dauerleihgabe des „Musée des Beaux Arts in Bordeaux“. Ingesamt sind es fünf Gemälde aus der Sammlung des Prinzen Heinrich, die sich aus Platzmangel bis vor kurzem im Depot des französischen Museums befanden. Nun aber wurden sie als Dauerleihgabe der „Stiftung Preußische Schlösser
und Gärten“ in Berlin-Brandenburg (SPSG) zur Verfügung gestellt, die im Gegenzug die Bilder restaurieren wird.

Der Willmann hatte sich auf der Inventarliste aus dem Jahr 1802, dem Todesjahr des Prinzen Heinrich, befunden. Denn nicht nur Friedrich der Große hat Wesentliches zum Aufbau der Gemäldesammlung in Preußens Schlössern beigetragen, auch sein jüngerer Bruder Heinrich, oft unterschätzt und im Schatten des großen Bruders stehend, war durchaus daran beteiligt. Die Gemälde aus der Sammlung des Prinzen Heinrich waren durch einen Händler der französischen Armee nach Bordeaux gelangt, der sich wahrscheinlich zur Zeit der Versteigerung von Heinrichs Nachlaß in Berlin aufhielt. Charles-Henry Gauldrée de Boilleau, Marquis de Lacaze, hatte sie 1829 der Stadt Bordeaux als Teil seiner Sammlung verkauft, die er bereits 1821 dem neuen Museum der Stadt als Leihgabe überlassen hatte.

Der Königsberger Willmann wird gern als „schlesischer Raphael“ bezeichnet und gilt Kennern als einer der wenigen genialen deutschen Künstler des 17. Jahrhunderts. Reisen führten ihn nach Amsterdam, Antwerpen, Prag und Breslau. Um 1657 / 58 zog es ihn in das aufstrebende Berlin, wo er in die Dienste des Großen Kurfürsten trat. Dieser hatte die Auswirkungen der Pest und des Dreißigjährigen Krieges zu bekämpfen, die seinem Land Brandenburg arg zugesetzt hatten. Er holte Baumeister, aber auch Maler und Bildhauer nach Berlin. Michael Willmann, selbst Preuße von Geburt, hielt es dennoch nicht lange dort. Daß er bis zum Hofmaler avancierte, wie in einigen Texten nachzulesen, bezweifeln ernsthafte Historiker heute. In Schlesien fand er schließlich wohlwollende Aufnahme. Dort schuf er seine wichtigsten Werke, die er in späteren Jahren ganz der Religion widmete. Dennoch wandte er sich noch einmal einem weltlichen Motiv zu und schuf sechs Jahre vor dem Tod des Großen Kurfüsten das Gemälde „Apotheose des Großen Kurfürsten als Beschützers der Künste“. Hubertus Lossow vermutet in seiner Willmann-Biographie (Würzburg 1994), daß es sich hierbei um einen Auftrag gehandelt haben müsse und verweist auf zwei Vorentwürfe mit unterschiedlichen Darstellungen. Auf der Pinselzeichnung, der eine flüchtige Kreideskizze zugrunde liegt, ist der Kurfürst mit einem Marschallstab in der Rechten zu erkennen. Links steht eine weibliche Gestalt, die Ähnlichkeit mit seiner 1667 verstorbenen Gemahlin Luise Henriette von Oranien hat. Eine weitere Frau geht auf den Großen Kurfürsten zu. Sie trägt einen Palmenzweig, der den Frieden versinnbildlichen soll. Diese Frau sieht der zweiten Gemahlin des Großen Kurfürsten, Dorothea von Holstein-Glücksburg, sehr ähnlich.

Lossow, der von 1934 bis 1945 am Schlesischen Museum der bildenden Künste in Breslau tätig war, wo man eine bedeutende Sammlung der Werke Willmanns besaß, und der sich mit dem Œuvre des Meisters bestens auskennt, vermutet die Ablehnung dieses ersten Entwurfs in der Darstellung der beiden Frauen des Herrschers. „Willmann konnte in Leubus nicht wissen, daß der Kurfürst, der seine erste Frau sehr geliebt hatte, mit der zweiten wenig glücklich war.

Dorothea ist zwar eine sehr energische, aber auch intrigante Person gewesen, die den Kurfürsten beherrschte, und so wäre es durchaus verständlich, daß dieser sie nicht als die Glücksbringerin dargestellt sehen wollte, und das dürfte auch dem mit den Hofintrigen wohl vertrauten Auftraggeber Willmanns bekannt gewesen sein.“

Das 1682 entstandene Gemälde hing vor dem Zweiten Weltkrieg im Königsberger Schloß, wurde dann nach Rheinsberg ausgelagert und kam von dort ins Schloß Charlottenburg.

Gelassen thront der Große Kurfürst in der Mitte des Bildes, um ihn herum Herkules, Apollo und Athena. Auf der Fahne einer Posaune liest man „Immortalitati“ - Unsterblichkeit. Vor dem Thron die Personifikationen der Künste: die Malerei mit einem Pinsel in der Rechten, die Skulptur mit Schlegel und Meißel, die Architektur mit einer Stadtkrone auf dem Haupt.

Kunsthistoriker heben hervor, daß es Willmann gelungen sei, die allegorische Darstellung, die sonst leicht zu dürrer Gedankenmalerei erstarre, mit Leben erfüllt und in ihr Gedanken und Empfindungen vereinigt zu haben.

Helmut Börsch-Supan schreibt in „Die Kunst in Brandenburg-Preußen“, (Berlin 1980): „Die Verherrlichung bedeutet nicht strahlender Triumph, sondern erschöpftes Ausruhen nach Not und Kampf mit Mächten, die im Dunkel trotz ihrer Niederlage noch drohend gegenwärtig sind.“
 
     
     
 
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