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Heimat - nein danke

 
     
 
Die westliche Medien-Mehrheit jubelte, als sei - gerade noch rechtzeitig zur ausklingenden Weihnachtszeit - der Frieden auf Erden ausgebrochen: Afghanistan, das seit Jahrzehnten von Kriegen und Bürgerkriegen gezeichnete Land, hat sich eine demokratische Verfassung gegeben, dem Aufbau und der dauerhaften Befriedung kann nun nichts mehr im Wege stehen.

Vereinzelte kritische Stimmen warnen jedoch: Dies sei eine nach amerikanischem Muster auf die Bedürfnisse des von den USA eingesetzten Präsidenten Karzai zugeschnittene Verfassung für einen Rumpfstaat rund um Kabul. Die Kernfragen, also die blutig ausgetragenen ethnischen Gegensätze, seien damit jedoch auch nicht ansatzweise gelöst.

So skeptisch sehen das offenbar auch die meisten der in langen Kriegsjahren
nach Europa, insbesondere nach Deutschland geflohenen Afghanen. Naheliegende Konsequenz: Sie bleiben hier, auch wenn sie nicht die geringste Chance haben, als Asylanten anerkannt zu werden.

Deutschlands Politiker, gleich welcher Partei, pflegen solche Themen als Tabu zu behandeln (beziehungsweise nicht zu behandeln) - man könnte ja in den Verdacht geraten, "ausländerfeindlich" oder "antiislamisch" zu sein. Lediglich Hamburgs neuer Innensenator Dirk Nockemann (PRO, ehemals Schill-Partei) wagte sich jetzt aus der Deckung. Er sei verwundert, daß einerseits Tausende von Deutschen, teils als Soldaten, teils als zivile Helfer (beispielsweise beim Technischen Hilfswerk), vor Ort am Wiederaufbau des zerstörten Landes mitwirken, andererseits aber in Deutschland lebende afghanische Asyl- bewerber in aller Regel nicht daran denken, in ihre Heimat zurückzukehren. (Diese Personengruppe ist nicht zu verwechseln mit den seit langem hier lebenden, voll integrierten beziehungsweise eingebürgerten Afghanen.)

Afghanistan hatte in den letzten zehn Jahren stets zu den Haupt-Herkunftsländern der in Deutschland Asylsuchenden gezählt. 1995 lag die Zahl bei 7.500, hielt sich bis 2001 um die 5.000, um 2002 auf 2.772 abzufallen. Im ersten Halbjahr 2003 ging die Zahl auf 787 Antragsteller zurück; neuere Zahlen liegen noch nicht vor.

Insgesamt ist die Zahl der Asylbewerber in Deutschland 2003 um rund 30 Prozent auf 47.000 gesunken; dies ist aber immer noch fast ein Sechstel aller in den 15 EU-Ländern gestellten Asylanträge. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge in Nürnberg, das noch einen erheblichen Bestand an Altfällen vor sich herschiebt (meist wegen langwieriger Gerichtsverfahren), konnte im vergangenen Jahr 87.000 Entscheidungen treffen. Nur 1.436 Asylanträge (1,7 Prozent) wurden genehmigt. In den meisten anderen Fällen müßte eigentlich die Ausweisung erfolgen. In Hamburg wurde das, wie Senator Nockemann mitteilte, 2003 immerhin 3.150 Mal praktiziert, in den meisten anderen Bundesländern deutlich seltener. Warum das so ist, darüber schweigen sich unsere Politiker am liebsten aus. Juliane Meier

Merkwürdiger Widerspruch: Hamburgs Innensenator Nockemann vor dem Asylbewerber-Wohnschiff "Bibby Altona", Afghanistans Präsident Karzai bei der Verkündung der neuen Verfassung in Kabul. Fotos: (1) Solcher, (1) pa/dpa
 
     
     
 
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