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In memoriam: Tino Schwierzina

 
     
 
Hans-Jochen Vogel (SPD) wurde im Frühjahr 1990 auf den Ostberliner Sozialdemokraten aufmerksam. Der damals 62jährige Tino Schwierzina war Schatzmeister seiner neu gegründeten Partei. Zwei Monate später war der Wirtschaftsjurist der einzige frei gewählte Ostberliner Bürgermeister.

Er und der im Westen der Stadt regierende Walter Momper (SPD) hatten nur eine einzige Aufgabe: die Stadt schnellstens zusammenzuführen und das eigene Amt überflüssig zu machen. Schwierzina war also nur sieben Monate und dreizehn Tage Bürgermeister. Seine historische Bedeutung in dieser entscheidenden Phase des Umbruchs beeinträchtigt dies keineswegs. Der Mitbegründer der Ost-SPD hat sich mehr als die meisten seiner westdeutschen Genossen um die Wiedervereinigung verdient gemacht.

Schwierzina wurde 1927 in Königshütte in Oberschlesien geboren. Er geriet 1945 in amerikanische Gefangenschaft. Fortan arbeitete er für die Amerikaner in Frankreich als Dolmetscher. 1952 begann er seine Arbeit als Justitiar beim volkseigenen Fischhandel Ostberlins. 38 Jahre lang ging er dieser Tätigkeit nach.

1990 katapultierte ihn die Wende an die Spitze des Ostberliner Magistrats. Seine Aufgabe bestand vor allem im Abriß der Mauer, die 28 Jahre lang Berliner von Berlinern getrennt hatte. Am 3. Oktober 1990 war bereits mehr als die Hälfte des Beton-Ungetüms verschwunden.

Im September 1990 wurde er auf dem Tag der Heimat
stürmisch umjubelt. Auf dieser Vertriebenenveranstaltung durfte sich seit Jahren kein Sozialdemokrat mehr blicken lassen. Wer es wie Walter Momper dennoch gelegentlich tat, kam wegen der Buhrufe kaum je zu Wort. Anders Schwierzina: Er wurde wie ein Held gefeiert. 1991 übernahm er die Aufgabe des Vizepräsidenten des Berliner Abgeordnetenhauses. 1995 kandidierte er abermals für das Berliner Abgeordnetenhaus, verlor aber gegen einen unbekannten PDS-Mann.

Seitdem war Schwierzina nur noch Beobachter der politischen Szenerie. Die Koalition seiner Partei mit der PDS soll ihm nicht gepaßt haben, heißt es aus seinem Umfeld. Dennoch hat er der SPD nicht den Rücken gekehrt.

Bei seinem 75. Geburtstag hatte er noch große Pläne. Er wollte seiner Frau die Stätten in Frankreich zeigen, an denen er für die US-Streitkräfte gedolmetscht hatte. Dazu ist es jedoch nicht mehr gekommen. Tino-Antoni Schwierzina verstarb Ende Dezember im Alter von 76 Jahren an einem Herzleiden.
 
     
     
 
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