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Internationaler Gartenausstellung in Rostock fehlt der Reiz des Fremden

 
     
 
Mit einer vielversprechenden Werbeaktion wurde sie angekündigt: die Internationale Gartenausstellung (IGA) in Rostock. Über zwei Millionen Menschen haben seit Eröffnung am 25. April die noch bis zum 12. Ok-tober zu besichtigende "grüne Weltausstellung am Meer" besucht. Doch wer tiefgrüne, englische Baumlabyrinthe, putzige, japanische Kiefernbäumchen, toskanische Zypressen und ähnliches erwartet, dürfte enttäuscht werden.

Nachdem der erwachsene Besucher 14 Euro Eintritt und 6,20 Euro für die sich über das 10.000 Quadratmeter große Gelände erstrekkende Seilbahn gelöst hat, fährt er erst einmal Richtung Meerseite, wo dann auch ein großes Traditionsschiff vor Anker liegt. Dort kann der Interessierte mehr über "1.000 Jahre Schiffbau in Mecklenburg und Vorpommern" erfahren. Wer aber bei der Gartenausstellung dann doch lieber Natur sehen will, kann gleich weiter zu den "Schwimmenden Gärten" gehen. Auf drei Pontons wird eine "Symbiose aus Kunst und Gartenarchitekt
ur" vollzogen. Die Evolution soll hier künstlerisch umgesetztes Thema sein. Die Karge Insel, die Grüne Insel und die Blüteninsel. Auf der Kargen Insel gibt es sogar Geysire, besser: die traurig aus dem Gestein herausragenden Wasserdüsen sollen so etwas wie einen Geysir darstellen. Die über die Blüteninsel lang verlaufenden, gelb angemalten Rohre muten wie so manche andere künstlerische Idee etwas bizarr an. Zugegeben, das vom Wiener Architekten Johannes Kraus ausgedachte Ensemble ist ausgefallen. Besonders die Bepflanzung mit Eisbegonien und Lobelien bietet unseren deutschen Augen Außergewöhnliches.

Verläßt man die "Schwimmenden Gärten" wieder, landet man auf dem Friedhof. Es handelt sich hierbei aber nicht um einen echten - der wäre individueller bepflanzt - nein, hier wird anhand von "Mustergräbern" gezeigt, wie man Gräber bepflanzen kann - beispielsweise mit Begonien und Heide.

"Was wäre die IGA ohne ihre Nationengärten? Für den Nicht-Fachmann sicher nur noch eine Gartenschau", erkennt schon der Veranstalter ganz richtig, und so befindet sich auch hinter dem lebensechten Schrebergartenbereich mit Sonnenblumen, Radieschen und Gartenschuppen der Nationenbereich.

"Nationengärten sind das Salz in der Suppe" heißt es dann auch in den Presseinformationen zur IGA. Aber was sind "Nationengärten" überhaupt? Diese Frage wurde anscheinend nicht ausreichend geklärt, denn die einzelnen Aussteller haben da recht eigene Vor- stellungen.

Polen beispielsweise stellt einen landesüblichen Bauerngarten aus. Rindenmulch bedeckt den Boden, und ab und an sind sogar Begonien und Heide gepflanzt. Der vermutlich von Polen zur IGA entsandte Gartenbaupraktikant hat anscheinend von seinen zur Verfügung stehenden 20 Euro noch etwas zurückbehalten. Auch Bolivien war sparsam. Zwei Häuschen mit landesüblichen Schnitzereien enthalten Souvenirladen und Imbiß. Zwei kleine Lamas aus Stroh stehen auf einer Rasenfläche, an dessen Rändern rote Begonien gepflanzt sind. Pakistan scheint solch exotische Pflanzen wie Begonien allerdings nicht zu kennen. Deren großer Souvenirladen, der geschickt als Pavillon getarnt ist, ist größtenteils von Rasen umgeben. In einigen Ecken stehen Springbrunnen, die allerdings von zwei großen Klarsichtfolien mit DIN-A4-Zetteln in leuchtendem Gelb und Pink verdeckt sind. Auf jenen "Informationstafeln" sind mit schwarzem Edding in krakeliger Schrift die Sätze "Wenn du wilst, kaufen, dann drin fragen" und "Wenn du machen kaput, must du bezahlen" notiert.

Aber nicht jedes Land präsentiert einen Souvenirladen. Es gibt auch einige angenehme Ausnahmen. Indonesien und vor allem die Vereinigten Arabischen Emirate zeigen auch Beispiele ihrer heimischen Gärten. Eine zweigeteilte gläserne Pyramide enthält exotische Pflanzen, und ein von ungewöhnlichen Gräsern umgebener, nachgebauter Brunnen, eine Beduinenwohnstatt und sogar extra mitgebrachte rötliche Erde vermitteln arabisches Flair. Indonesiens Gewächshaus mit Bambus und anderen exotischen Pflanzen ist ebenfalls sehr fachmännisch gestaltet. Beide Länder kommen ohne Begonien aus.

Der Ausstellungsbereich der Bundesrepublik Deutschland ist in jeder Hinsicht pädagogisch wertvoll. Bio-Siegel, Holznutzung und Pflanzenschädlinge sind nur einige der Themen, mit denen der Besucher aufgeklärt werden soll.

Der Gerechtigkeit halber ist zu erwähnen, daß diese Zustandsbeschreibung aus den ersten Septembertagen stammt, die Bepflanzung demzufolge herbstlich war, doch wer eine "Internationale Gartenausstellung" ankündigt, darf auch im Herbst nicht nur Heide, Begonien und Souvenirshops zeigen.

Die große Blumenhalle war zudem eine weitere Enttäuschung. Wegen Umbauarbeiten waren zwei Drittel geschlossen; das letzte Drittel war zwar nett anzuschauen, die versprochenen "exotischen Gärten" bestanden jedoch größtenteils aus einer großen Fläche des "Obst- und Gemüselandes Ungarn", das verschiedenfarbige Paprika, Pflaumen und Äpfel in großen Mengen ausstellte. Das gibt es auch beim Großmarkt um die Ecke zu sehen.

Viele der vor allem älteren Besucher sind jedoch mit der IGA zufrieden. Sie reisen mit dem Bus an, fahren ein bißchen Seilbahn, schlen- dern durch die Souvenirshops sowie Gärten mit bundesdeutscher Parkbepflanzung und trinken überteuerten Kaffee. Sie erwarten keine "fremden Welten", sondern nur einen angenehmen Tagesausflug. Und da ist man auf der IGA an der richtigen Adresse. Fritz Hegelmann

Die meisten Länder präsentieren bunte Souvenirläden

Zu hausbacken: Die "grüne Weltausstellung am Meer" ist ein geeignetes Ziel für einen entspannenden Tagesausflug. Wer allerdings berauschende Gärten aus fernen Ländern erwartet, wird enttäuscht werden.
 
     
     
 
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