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Latrinenparolen im Hause Springer

 
     
 
Der "große Springer" ist auch nicht mehr das, was er einmal war: Redaktionszusammenlegungen, Auflagenrückgänge, Personalkürzungen und von Bild bis Welt verzweifelte Appelle zu Sparsamkeit, die geradezu an Kriegs- und Entbehrungszeiten erinnern, in denen aus der Not eine Tugend gemacht wurde.

Der neueste Clou der Mathias-Döpfner-Ära entbehrt allerdings nicht einer gewissen, wenn auch unfreiwilligen Komik. In der Hauszeitschrift für Mitarbeiter des Verlages, Springer aktuell, wird den Lesern auf ein wenig abstruse Weise erklärt, warum die bisher übliche tägliche Reinigung der Büroräume ab sofort eingestellt und künftig eine "Sichtreinigung" durch die Raumpfleger nur jeden zweiten Tag erfolgen wird. Auf das bisher tägliche Staubsaugen müsse man verzichten, weil es zu viel koste. Wer also an seinem Arbeitsplatz Kekse esse, werde die Krümel auch noch am kommenden Morgen vorfinden, belehrt Springer aktuell die ohnedies verunsicherten Mitarbeiter des Hauses. Allerdings wird dafür eine Alternative vorgeschlagen: man solle in Zukunft statt krümelnder Kekse einen Apfel essen (was mit dem Apfelkern werden soll, wird allerdings nicht gesagt). Eine Beruhigung allerdings kommt von der Leitung: Den Springer-Mitarbeitern wird versichert, daß das stille Örtchen, also die "Sanitäranlagen", auch weiterhin täglich geputzt werden sollen. Es soll also im größten Zeitungskonzern Europas trotz spürbarer Finanznöte nichts "zum Himmel stinken".

Daß im Verlags
konzern eine gewisse Unruhe herrscht, verriet Vorstandschef Döpfner bei einem Treffen der Führungskräfte, das ausgerechnet auf dem Luxus-Kreuzfahrtschiff "Deutschland" stattfand. Der große Chef habe, so heißt es in Springer aktuell, "Kritikern den Wind aus den Segeln genommen, die sich über die Kosten dieses Ausflugs Gedanken gemacht" hätten. Also hat es intern Kritik an der jetzigen Konzernspitze gegeben; den Leuten war offenbar nicht klar zu machen, warum es kein Geld für Putzfrauen gibt, die "Führungskräfte" aber auf einem Luxusliner in See stechen müssen.

Die Begründung für diese Neigung zur Seefahrt klang seltsam: man habe den Kahn bereits im Boomjahr 2000 gebucht. Und jetzt, angesichts der ausgebrochenen allgemeinen Krise, macht man aus der Not eine Tugend: Die Kurzkreuzfahrt sei "eine gute Gelegenheit, darauf hinzuweisen, wie unser Unternehmen nicht werden darf: Glamourös und schwer wie ein Luxus-Schiff". Diese Art der Argumentation wirkt nicht nur wie Negativwerbung für die Kreuzfahrerei, es wirkt auch, als wolle man sich mit der rechten Vorderpfote am linken Hinterbein kratzen.

Zum Schluß warnt der Redaktionsleiter der Mitarbeiter-Zeitung seine Leser, also die Arbeitnehmer des Hauses, in seinem "Editorial" vor nicht genau zu spezifizierenden "Gerüchten" und konstatiert: "Wer sich mit Gerüchten abspeisen läßt, ist übrigens selber Schuld." Was das für Gerüchte sind, die da durch die Korridore des Hauses geistern, kann man allenfalls vermuten. Früher sprach man von "Latrinenparolen", aber da das "Örtchen" ja auch weiterhin jeden Tag gesäubert werden soll, fragt man sich, wo sie sonst noch herkommen könnten.
 
     
     
 
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