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Lernen am authentischen Ort

 
     
 
Lange schon schwelt der Streit zwischen der "Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten", die auch das ehemalige KZ beziehungsweise das sowjetische Todeslager Sachsenhausen zu verwalten hat, und der "Lagergemeinschaft Sachsenhausen 1945-1950". Die von den Sowjets Eingesperrten fühlen sich vom Leiter der Stiftung, dem aus Westdeutschland stammenden Prof. Dr. Morsch, wie "Opfer Zweiter Klasse" behandelt, weil in der Gedenkstätte deutlich die Erinnerung an die Vorgänge aus der Zeit von vor 1945 im Vordergrund steht.

Die Gedenkstättenleitung hatte mehrere Projekte
, mit denen ein stärkeres individuelles Gedenken an die Opfer des sowjetischen Speziallagers ermöglicht werden sollte, immer wieder abgelehnt und das kleine Museum, das an die insgesamt 60000 Häftlinge der Sowjets, von denen mindestens 12000 aufgrund der unmenschlichen Haftbedingungen starben, erinnern soll, in einen Außenbezirk abgedrängt, wo es von Besuchern häufig übersehen wird.

Nachdem vor wenigen Wochen die Auseinandersetzung zu eskalieren drohte, konnte Ministerin Wanka, die an der Spitze des aufsichtführenden Ministeriums in Potsdam steht, Morsch noch einmal bewegen, die Strafandrohung zurückzunehmen. Morsch beteuerte anschließend, er habe "nie von Opfern Zweiter Klasse" gesprochen.

Jetzt wird der Öffentlichkeit ein Vorgang bekannt, der an der Ernsthaftigkeit von Morschs Behauptung zweifeln läßt.

Im Oktober soll auf dem Gelände des einstigen KZ Sachsenhausen eine internationale Jugendbegegnungsstätte eröffnet werden. Bewirtschaftet wird das Haus, die mit einem Aufwand von 1,25 Millionen Euro ausgebaute Villa des früheren KZ-Kommandanten

Eicke, vom "Deutschen Jugendherbergswerk Berlin-Brandenburg", das einen Kooperationsvertrag mit der "Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten" abgeschlossen hat. "Mit der Übernahme des Hauses stellen wir uns dem gesellschaftlichen Engagement gegen Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus", betonte der Vorstandsvorsitzende des DJH-Werkes, Berlin-Brandenburg, Thomas Seerig. Und Prof. Morsch ergänzte: Hier gehe es um "Lernen am authentischen Ort". Der sozialdemokratische Bildungsminister Holger Rupprecht ist mit der neuen Einrichtung sehr zufrieden, denn mit ihr "wollen wir ein Fundament für die Beschäftigung mit der Geschichte von Unmenschlichkeit und Terror während des deutschen Nationalsozialismus schaffen".

Wo wird mit einer einzigen Silbe der 60000 Häftlinge gedacht, die von den sowjetischen Siegern ab 1945 hier an diesem "authentischen Ort" eingesperrt und gequält wurden, wo der 12000 jämmerlich Umgekommenen? Sie werden wieder einmal verschwiegen, obgleich der Deutsche Bundestag seinerzeit einstimmig beschlossen hatte, es dürfe der Opfer beider totalitärer Regime nur gleichwertig gedacht werden. Hier wird wieder einmal Einseitigkeit demonstriert, und Prof. Morsch, der schon so oft im Zentrum der Kritik stand, hat dazu seine Hand gereicht. Dabei hätte man die internationale Begegnungsstätte ohne weiteres allen Opfern totalitärer Herrschaft widmen können. Es hätte den gleichen pädagogischen Effekt gehabt und darüber hinaus noch deutlich gemacht, daß Unmenschlichkeit keineswegs nur einer politischen Richtung anzulasten ist.

Das "Internationale Sachsenhausen-Komitee", das offenkundig von Kommunisten dominiert wird, hatte schon vor Jahren jede Zusammenarbeit mit den Verbänden der Häftlinge aus der Zeit von nach 1945 von sich gewiesen und ausdrücklich erklärt, es fühle sich mit ihnen "keineswegs verbunden", denn die Kommunisten behaupten, die von den Sowjets Eingesperrten seien nichts als "NS-Bonzen" gewesen, "SS-Leute, andere Kriegsgefangene, Sympathisanten des Nazi-Regimes, jene, die sich in dem Sinne schuldig gemacht haben", sowie Kriminelle. Unterschlagen werden Tausende von Wehrmachtsoffizieren, die von den Westalliierten in die sowjetische Besatzungszone entlassen worden waren und sofort von der Roten Armee in Sachsenhausen eingesperrt wurden. Unterschlagen wird die inzwischen wissenschaftlich erhärtete Tatsache, daß der allergrößte Teil der Eingesperrten beschuldigt worden war, während der sowjetischen Besatzungszeit sich in irgendeiner Weise antisowjetisch geäußert oder betätigt zu haben. Dafür spricht auch die erschütternd lange Liste von im Lager umgekommenen Jugendlichen, die in der NS-Zeit noch Kinder waren. Von ihnen seien einige genannt: Wilhelm Ahrens aus Neubrandenburg, mit 16 Jahren inhaftiert, 1947 im Todeslager verstorben; Ilse Armster aus Rudisleben, 15 Jahre alt, 1950 verstorben; Wolfgang Bernd aus Berlin, 15 Jahre alt, 1949 verstorben ... Und so geht es seitenlang weiter in der Dokumentation von Benno Prieß "Unschuldig in den Todeslagern des NKWD 1946-1954". Alles "Nazi-Bonzen"?

Es hätte dem "Deutschen Jugendherbergswerk" gut angestanden, in der neuen Jugendbegegnungsstätte ihrer zu gedenken. Und wenn das DJH-Werk nichtsahnend gewesen sein sollte, dann hätte Prof. Morsch entsprechend die Weichen stellen können. Er tat es nicht.
 
     
     
 
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