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Loop an de Linge

 
     
 
Als der Großvater die Großmutter nahm - war’s eine schöne Zeit! Ja, Großmutter weiß von dieser Zeit, die einige Jahrzehnte hinter uns liegt, so vieles zu berichten, und wenn’s mal Dorffeste zu feiern gab, so waren die Fastnachtsfeiern diejenigen, von denen sie gern und oft erzählt.

Zeitlich nahe zusammenliegend mit Lichtmeß, dem Vorfrühlings- oder Lichttag, wiederholte man in vielen Gegenden Umzüge in den sonderbarsten Verkleidungen, doch der hervorstechende Zug der Fastnachtszeit mit den begleitenden Bittgängen nach Eßwaren und Geld machte sich in den Bauerndörfern sofort bemerkbar. Da gab man gern, was an Vorräten in Küche und Keller vorhanden war, und der Hausherr griff in seinen Beutel und überreichte den Burschen des Dorfes lächelnd eine klingende Münze
, die sie schnell in einer Sammelbüchse verschwinden ließen.

Im Wirtshause wurde nun gebraten und geschmort. Die Musikanten nahmen zu der bevorstehenden Arbeit einen kräftigen Bissen zu sich, und sofern die Abenddämmerung sich auf das friedliche Dörfchen niederließ, wanderten die Dorfinsassen, Bauernfamilien, Gesinde und Arbeiter zur Krugstube, um hier gemeinsam als eine Dorfgemein- schaft den Fastnachtsabend zu verleben. Die Musik spielte fleißig auf, die Paare wirbelten im munteren Tanze vorbei, Burschen und Mädchen mit den buntesten Bändern und Schleifen geschmückt, und überall herrschte Frohsinn und Freude.

Kurz vor Beginn der Mitternacht setzte der Höhepunkt des Festes ein, der Bügeltanz begann. Unter den Klängen der Musik und dem Gesang der Tänzer erschienen nun die Paare, voran der Bürgermeister, auf dem Tanzboden. Die Wendungen im Bügeltanz wurden mit folgenden Strophen in plattdeutscher Mundart begleitet: Wir kommen hereingetreten,/ loop an de Linge,/ Mit Singen und mit Beten,/ loop an de Linge./ Zucht und Ehr, wölle wer/ bi de Jungfer finde./ Zucht und Ehr, wölle wer/ bi de Jungfer finde!/ De niege Saaten gröne schon/ loop an de Linge,/ de Dannejungs wölle bügeln goahn,/ loop an die Linge.

Bei einer schnellen Polka drehten sich nun die Paare im Kreise, der Bügelmeister haschte mit seinem Reifen ein Paar, zog es inmitten des Kreises, und nun mußte das Paar bei den Klängen der Musik und dem Klatschen der Umstehenden im Bügel tanzen. Nachdem alle Paare die Tour durchgetanzt hatten, schwang der Bügelmeister den bunt beschmückten Reifen über eine Maid, zog sie und ihren Tänzer in den Kreis, und nun mußte das Mädchen aus dem Bügel springen, wobei sie „Flachs wachs“ laut rufen mußte. Nachdem alle Mädchen aus dem Bügel gesprungen waren, ging’s nach einem schnellen Tanz unter Voranschritt des Bügelmeisters aus dem Tanzsaal hinaus, begleitet von Beifallrufen der Zuschauer.

Nun folgte der gemeinsame Tanz für alt und jung, und schon schob man die schweren Tische in die Tanzstube hinein. Schüsseln, ganz bedeckt mit abgekochtem Schweinekopf, Räucherwaren, Wurst, Mohnkuchen u. a. m. wurden auf den Tisch getragen. Nach den Anstrengungen des Tanzes mundete der Schmaus vortrefflich, und bei gefüllten Gläsern Bier wurden neue Freundschaften geschlossen.

Draußen vergnügten in den Pausen sich die Burschen auf einer Schaukel, und mit dem Rufe „Hod Vaters Gerste“ trat jeder Bursche die sausende Fahrt in die Höhe an. So manches sittsame Mädchen des Dorfes wurde in den nächsten Wochen weggefreit, und manche mußten trotz des gelungenen Bügelsprunges weiter warten. Doch die nächste Fastnachtsfeier konnte immerhin glückbringender für die Mädchen und Burschen sein.

Entnommen aus „Unser Masuren-Land“, Nr. 2/1932

 
     
     
 
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