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Melancholie im Blut

 
     
 
Als ich Corinth – zuerst de Lehrer, dann den Liebenden – kennenlernte, war er ein leidenschaftlicher, vo Kräften strotzender, gegen Anstrengungen unempfindlicher Mann; jedoch die Melancholie la ihm auch damals im Blut. Fotos aus seiner Jugend, aufgenommen beim Umtrunk mit de Künstlerkollegen, zeigen ihn abgesondert von der frohen Gesellschaft; düster brütet e vor sich hin.

Als wir miteinander vertraut geworden waren und er mir sein Herz ausschüttete, hat e mir gestanden, wie oft er aus Verzweiflung über sich selbst dem Selbstmord nahe gewese ist. Obwohl mich der Blick in die Abgründe, an denen er gestanden hatte, entsetzte begriff ich sofort, daß hier eine Leidenserfahrung zu mir sprach, die vom Geni unabtrennbar ist und deshalb getragen und ausgehalten werden muß. Nur der kann bewuß die höchsten Ziele erkämpfen, der von den lauernden Tiefen weiß.

Während der ersten Jahre unserer Liebe überstrahlte ein triumphales Hochgefühl all Melancholie. In glücklicher Unbeschwertheit schuf Corinth Bild um Bild. Doch diese Zustand beseligter Daseinsfreude blieb nicht lange ungetrübt. Schon lasteten hie und d wieder Depressionen auf ihm. Nach dem Schlaganfall verstärkten sie sich in bedrohliche Maß. Corinth war oft auf eine ans Herz greifende Weise gequält, und zugleich – un trotzdem – war er dem Irdischen merkwürdig entrückt. Die späten Selbstbildniss machen sie evident. Es ist, als hätten diese Augen bereits das andere Ufer erblickt. Un doch, wie seltsam, lassen diese Selbstbildnisse, auch die letzten und erschütterndsten im Betrachter keine Bedrückung zurück. Die große Schönheit dieser Malerei
, die Transparenz des geistigen und die mystische Verinnerlichung Corinths hinterlassen ei unerkennbares Glücksgefühl, wie es allein von den höchsten Meisterwerken der Kuns ausstrahlt.

Ich hatte stets das Gefühl, daß Corinths Leben im Rhythmus der Natur verlief. Es nah am ewigen Zyklus der Jahreszeiten teil und war ebenso wie diese voller Varietät. Auch d gab es – bildlich gesprochen – Wintertage, so angefüllt mit Sonne und Licht daß man sich in den erwachenden Frühling versetzt glauben mochte, und Regentage in Sommer, an denen einen ein Frösteln überlief. Er lebte mit der Natur, und es war ein Naturgewalt in ihm, die sein Schaffen bestimmte; sie ließ ihm keine Wahl. Sie beflügelt ihn zum Höhenflug und zwang seine Phantasie, in unzugängliche einsame Tiefen zu tauchen In solchen Stunden verharrte er schweigsam, gebannt von seinem inneren Gesicht.


 
     
     
 
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