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Militärische EU-Konzeption scheitert schon am Vorbehalt gegenüber Wien

 
     
 
Die Europäer werkeln nach französischem Plan am europäischen Pfeiler ihrer Sicherheit, und Verteidigungsminister Rudolf Scharping sitzt in der Klemme. Die Nato und die EU erwarten von den Deutschen höhere Anstrengungen für die gemeinsame Sicherheit, das heißt vor allem einen höheren finanziellen Beitrag. Im portugiesischen Sintra an der Küste des Atlantik haben sich die Verteidigungsminister der EU bemüht, der europäischen – sprich: von den USA unabhängigen – Sicherheitspolitik einen Impuls zu geben. Die Minister erfüllten damit den vom Gipfel der EU in Helsinki im Dezember erteilten Auftrag, "eine autonome Kapazität zu entwickeln, um – wo die Nato als Ganzes nicht betroffen ist – militärische von Europa geführte Operationen in Reaktion auf international
e Krisen zu führen" (Kommunique von Helsinki).

Der Europäische Rat hatte beschlossen, bis zum Jahr 2003 einen militärischen Verband in Stärke von bis zu 60 000 Soldaten aufzustellen, der in 60 Tagen einsatzbereit sein sollte für wenigstens ein Jahr. Bei ihrem Treffen in Sintra verständigten sich die Minister zunächst darauf, daß vor Bildung von neuen politischen und militärischen Leitgremien für die europäische Sicherheitspolitik zunächst verschiedene Szenarien für Einsätze dieser Eingreiftruppe ausgearbeitet werden sollten. Zur Zeit kann sich noch kein Mensch vorstellen, wo und wie eine solche Truppe eingreifen soll. Erst wenn diese Szenarien ausgearbeitet sind, soll Ende des Jahres eine Konferenz stattfinden, bei der die einzelnen Mitgliedstaaten erklären sollen, wieviel Truppen und Material sie bereitstellen wollen. Hier wird es dann zum Schwur kommen. Unter den Ministern bestand in Sintra Übereinstimmung, für die gemeinsame Sicherheit größere Anstrengungen zu treffen. Vor allem mahnte Frankreich höhere Ausgaben für die Verteidigung an. Dies wird spätestens im Herbst für Rudolf Scharping Probleme bringen, wenn der Streit um Geld und Truppen in die entscheidende Phase kommt, und wenn seine Forderung, den Haushalt der Bundeswehr aufzustocken, wie schon im Vorjahr, auf den Widerstand von Kanzler Schröder und Finanzminister Eichel stößt. Bei den Verteidigungsausgaben steht Deutschland mit 1,4 Prozent seines Bruttoinlandssozialprodukts im Vergleich zu Frankreich mit 2,8 Prozent nicht gut da.

Rudolf Scharping ist nicht zu beneiden. Er will das Beste und bekommt dafür zuwenig. So sucht er noch vor der Vorlage des Berichts der Weizsäckerkommission im Mai einen Ausweg aus dem zu erwartenden Dilemma, denn die Kommission wird eine Kürzung der Personalstärke empfehlen müssen. Sein Haushalt sinkt im nächsten Jahr auf 44,8 Milliarden DM. Er kann daraus nicht eine neue EU-Truppe finanzieren, wo er doch vermutlich die Stärke der Bundeswehr herunterfahren muß.

So sucht Scharping nach Möglichkeiten, den Schaden der Haushaltsreduzierung zu minimieren, und versucht nun, Aufgaben aus den Streitkräften in den zivilen Bereich zu verlagern. Wenn er daran denkt, zum Beispiel die Materialverwaltung in privatwirtschaftliche Hände zu verlagern oder Teile der Transportmittel "privatwirtschaftlich" zu organisieren, dann wird er die Effizienz und Schlagkraft der Truppe nicht steigern, sondern eher mindern.

Doch man kann es ja versuchen, wie es mit dem Rahmenvertrag über "Innovation, Investition und Wirtschaftlichkeit in der Bundeswehr", der im Dezember vergangenen Jarhes mit 33 zivilen Unternehmen abgeschlossen wurde, geschehen ist. Allerdings sollt man davon nicht zuviel Erhöhung militärischer Effizzienz erwarten. In einem Punkt ist Scharping sicher zuzustimmen, daß die Effizienz der Streitkräfte gesteigert werden muß und die Dauer für Materialbeschaffung von der Planung bis zur Auslieferung an die Truppe nicht mehr – wie bis heute – 15 Jahre dauern darf.

In Sintra wurden die Entscheidungen auf das Jahresende hin verschoben. Interessant war dort übrigens, wie man in der EU mit Partnern umgeht, die man für "rechts-populistisch" hält. Die Minister praktizierten gegenüber ihrem österreichischen Kollegen einen besonderen Stil, sie schnitten ihn. Und Rudolf Scharping, der neben Herbert Scheibner, dem österreichischen Kollegen am Tisch saß, sprach kein Wort mit ihm.

Diese Praxis ist insofern interessant, als niemand in Berlin auf die Idee kommt, einen Russen etwa wegen des Krieges im Kosovo auf internationalem Parkett zu ignorieren. Rudolf Scharping meinte, er lege keine Wert auf engeren Kontakt zu einem Vertreter einer rechtsradikalen Partei. Er sagte dies und begab sich nach Moskau zu Gesprächen mit den für das Morden in Tschetschenien Verantwortlichen.

 
     
     
 
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