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Muttersprache - ein nationales Kulturgut

 
     
 
Wirtschaft, Politik, Medien, Verwaltung, Wissenschaft, auch die Kirchen in Deutschland sind ganz offensichtlich nicht in der Lage oder, was noch schlimmer wäre, nicht bereit, die deutsche Sprache als Grundlage der kulturellen Identität unseres Landes zu schützen und zu bewahren. "Ohne Englischkenntnisse kann man sich auf dem Bahnhof, dem Postamt, in Einkaufstraßen bald gar nicht mehr zurechtfinden", hört man aus dem Verein Deutsche Sprache (VDS), der sich als Bürgerinitiative verdienstvollerweise dieser Problematik angenommen hat.

VDS-Vorsitzender Professor Walter Krämer stellte fest, dabei handele es sich nicht nur um ein kulturelles Problem mit großen wirtschaftlichen Auswirkungen, sondern auch um ein soziales. Bürger, die aus den verschiedensten Gründen Englisch nicht hinreichend oder gar nicht verstünden, würden bei der Teilnahme am geschäftlichen und gesellschaftlichen Leben behindert oder gar ausgeschlossen.

Als unlängst der Begriff "Facility Manager" - was nahe liegt - gar nicht und wenn, dann falsch, als "Hausmeister" verstanden wurde, erregte sich Professor Michael Bosch, das sei "Ehrverletzung" und habe seinem wissenschaftlichen Anliegen schweren Schaden zugefügt. Tatsächlich sei "Facility Manager" ein Studiengang an einer Fachhochschule
. Aus dem VDS hieß es dazu knapp und treffend: "Wer Nebelkerzen wirft, darf sich nicht wundern, wenn seine Mitmenschen den Durchblick verlieren." Eine klare muttersprachliche Bezeichnung hätte Mißverständnisse und seitenlange Erklärungen überflüssig gemacht.

Tatsache ist, daß sogenannte "Consultants" - also Unternehmensberater - viel, sehr viel Geld damit verdienen, daß sie Unternehmen dazu bringen, sich am Markt durch Vortäuschung von Internationalität und Modernität insbesondere bei der Jugend anzubiedern. Verbraucher sollen mit ang-lizistischem Wortgeklingel zu einem bestimmten Kaufverhalten genötigt werden, eine Methode, die nicht weit entfernt ist von der Manipulation, mit denen im politischen Bereich totalitäre Ideologien ihre Weltanschauungen den Menschen aufnötigen. Wenn sogar im kirchlichen Bereich die Jugend als "Generation under the cross" angesprochen wird, bleibt eigentlich nur Kopfschütteln und die Anmerkung, daß sich Martin Luther im Grabe herumdrehen würde.

Was also muß geschehen, um in Deutschland dieser Zerstörung seiner kulturellen Identität entgegen- zutreten? Appelle und Einsichten genügen offensichtlich nicht mehr. Sind doch mehr als drei Jahre vergangen, seit Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) zum gesellschaftlichen Widerstand gegen die "Sprachverhunzung" aufrief und feststellte: "Was an sprachlich-moralischer Verluderung stattfindet, ist immer schwerer zu ertragen." Seine grüne Stellvertreterin Antje Vollmer beklagte damals, daß "schrille, modische und expertenlastige Anglizismen" ohne Not "viele Menschen von der Verständigung ausschließen". Der damalige FDP-Chef Wolfgang Gerhardt kritisierte die "Flut von Anglizismen" in den Medien, der Werbung oder der Produktbeschreibung. Eberhard Diepgen von der CDU, seinerzeit noch Regierender Bürgermeister von Berlin, plädierte für "kulturellen Verbraucherschutz", und sein Innensenator und Parteifreund Eckart Werthebach kam ebenso konkret zur Sache wie Bayerns Wissenschaftsminister Hans Zehetmaier von der CSU: Beide forderten gesetzlichen Schutz für die deutsche Sprache durch ein Sprachschutzgesetz, "wie es bereits in Frankreich existiert".

Damit steht fest: Politiker aus allen Parteien haben vor Jahren das Problem erkannt, aber geschehen ist nichts, und Deutsche werden weiterhin in ihrem eigenen Land zu sprachlichen Fremden gemacht. Statt dessen veranstalten die für die Sprache zuständigen Kultusminister im Verein mit dem Bundesminister für Bildung und Erziehung einen "Girls Day" zur Einführung deutscher Mädchen in den Berufsalltag, und die grüne Frau Bundesministerin Renate Künast verbraucht ihre Arbeitszeit mit dem Start eines "biofood projects" für die deutsche Jugend. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber sprach in seiner letzten Regierungserklärung von "Cluster-Bildung", "Benchmarking" und "Know-how".

Selten genug mahnen Abgeordnete in Bund und Ländern die Vermeidung von Anglizismen an, und noch seltener finden sie dabei in den Medien Unterstützung. Im Gegenteil, sie ernten mokante und dümmlich-arrogante Kommentare. Eine lobenswerte Ausnahme ist die Stuttgarter Zeitung, die bewußt Anglizismen vermeidet, ohne in übertriebenen Purismus zu verfallen.

Andere europäische Sprachen sind zudem ähnlicher Pidginisierung ausgesetzt wie die deutsche, allerdings nicht in dem Ausmaß. Unsere westlichen und östlichen Nachbarländer Frankreich und Polen und anderen haben sich schon vor einiger Zeit Gesetze zum Schutz ihrer Sprachen gegeben, die sich zwar nicht als Allheilmittel, aber doch als stabile Eckpfeiler zum Schutz ihrer Landessprachen erweisen.

In Deutschland besteht angesichts der Entwicklung in den letzten Jahren - auch mit Blick auf die mißlungene Rechtschreibreform - keine wirkliche Verantwortungsbereitschaft von Politik und Wirtschaft für den Schutz der deutschen Sprache, so daß ein Bundesgesetz über die deutsche Sprache unumgänglich geworden ist.

 
     
     
 
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