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Münchener Abkommens

 
     
 
Vor 60 Jahren, am 29. September 1938, schlossen die Regierungschefs von Deutschland (Adolf Hitler), Großbritanniens (Neville Chamberlain), Frankreichs (Edouard Daladier) und Italiens (Benito Mussolini) das "Münchener Abkommen", das der Tschechoslowakei auferlegte, die deutsch besiedelten Randgebiete, deren Bewohnern nach dem I. Weltkrieg das Selbstbestimmungsrecht verweigert worden war, ans Deutsche Reich abzutreten. London und Paris ging es dabei keineswegs um das Selbstbestimmungsrecht der Sudetendeutschen, sondern vielmehr darum, durch Besänftigung Hitlers Frieden zu erkaufen, denn dieser hatte keinen Zweifel an seiner Kriegsentschlossenheit
gelassen.

Daß Deutschlands militärische Führung entschlossen war, notfalls durch einen Staatsstreich Hitler am Kriege zu hindern, interessierte die vom Führer faszinierten Westmächte nicht. Sie wollten mit ihm handelseinig werden. Felix Seebauer hat in der "Sudetendeutschen Zeitung" auf einige Umstände aufmerksam gemacht, die sowohl von der tschechischen Geschichtsschreibung als auch von tschechischen Politikern der Gegenwart wegen ihrer Peinlichkeit für die tschechische Seite verschwiegen werden:

Es ist nicht wahr, daß Hitler das Münchener Abkommen erzwungen hat, um den Sudetendeutschen die vorenthaltene Selbstbestimmung zu bringen. Er hat die Sudetendeutschen ebenso getäuscht wie die Alliierten und überhaupt die ganze Welt.

Beweis dafür kann, abgesehen von einigen anderen Dokumenten aus dem Archiv des tschechischen Außenamtes, unter anderem das Dokument PS-386 des Internationalen Militärtribunals in Nürnberg (Bd. XXV, Seite 402 bis 413) sein, das sogenannte Hoßbach-Protokoll, nämlich die Niederschrift einer Besprechung, die am 5. November 1937 in der Reichskanzlei zu Berlin stattgefunden hat, und an der die Spitzen der Wehrmacht sowie der Reichsminister des Auswärtigen teilgenommen haben. In seinen Ausführungen erklärte Hitler seine unumstößliche Absicht, Österreich und die Tschechoslowakei militärisch zu vereinnahmen, und erläuterte eingehend seine Gründe dafür. Diese waren:

– die Beschaffung von Nahrungsmitteln für fünf bis sechs Millionen Menschen,

– die Aufstellung von zwölf neuen Divisionen sowie

– eine bessere Grenzziehung für den Fall eines Krieges.

Es fiel aber kein Sterbenswörtchen über die Sudetendeutschen. Die Interessen dieser Volksgruppe waren Hitler genauso gleichgültig wie die Interessen der Südtiroler, die er ohne mit der Wimper zu zucken an den Duce verscherbelte.

Die Sudetendeutschen selbst waren bei weitem nicht alle Nazis. Tausende sudetendeutscher NS-Gegner sind namentlich mit dem Tag ihrer Verhaftung und ihrem weiteren Schicksal in der Dokumentation der Seliger-Gemeinde angeführt.

Weniger bekannt hingegen ist, daß der Regierungsverordnung Nr. 183/38, Sammlung vom 23. September 1938, mit der die allgemeine Mobilisierung verkündet wurde, 89,3 Prozent der gestellungspflichtigen Bürger deutscher Volkszugehörigkeit Folge leisteten, bei den Offizieren der Reserve waren es sogar 97,1 Prozent. Hunderte deutscher Nichtgestellungspflichtiger, namentlich jüdischer Herkunft, meldeten sich sogar freiwillig zu verschiedenen Hilfsdiensten, wie etwa zum Luftschutz, wurden jedoch vielfach – aus nationalistischen Gründen – abgewiesen.

Dasselbe Phänomen äußerte sich übrigens später auch bei der tschechoslowakischen Exilarmee in Agde, wo deutsche und jüdische Freiwillige Arreststrafen erhielten, nur weil sie untereinander deutsch sprachen. Tschechischerseits wurde nämlich der Widerstandskampf vornehmlich national, um nicht zu sagen nationalistisch interpretiert, und nicht politisch. Tschechische und slowakische nationale bzw. slawisch-nationale Tendenzen äußern sich auch in den Vertreibungsdekreten von 1945 sowie in der Konzeption einer ganzen Reihe weiterer Dokumente.

Das wohl Traurigste am Verhalten tschechischer nationalistischer Elemente war die Auslieferung deutscher Flüchtlinge, die sich aus den besetzten Sudetengebieten in die Rumpftschechei absetzen konnten. Nach bisherigen, noch sehr unvollständigen Angaben wurden in den ersten Tagen nach dem 1. Oktober 1938 von der tschechoslowakischen Gendarmerie 1711 Männer und Frauen an die Demarkationslinie eskortiert und den deutschen Behörden und mitunter sogar dem "Freiwilligen Schutzdienst" FS und der SA übergeben.

Es muß allerdings andererseits zugute gehalten werden, daß nicht selten tschechische Beamte, namentlich ältere, aus eigenen Stücken die Eskortierten entkommen ließen. Damals hatte sich dafür – frei nach dem Handlungsablauf des ersten Aktes der Bizetschen Carmen – die Tarnbezeichnung "Don-José-Eskorte" eingebürgert.

Der wohl krasseste Fall der Rücküberstellung von Flüchtlingen an NS-Behörden durch tschechische Nationalisten ereignete sich allerdings schon ein halbes Jahr früher, als der Zollwache-Revident Frantisek Pucalka nach Rücksprache mit dem diensthabenden Journalbeamten im Prager Außenamt vom bereits in Lundenburg befindlichen fahr-planmäßigen Nachtschnellzug Wien–Prag die Waggons mit den letzten österreichischen Flüchtlingen abkoppeln und nach Hohenau zurückrangieren ließ, wo bereits Gestapo und SA warteten.

So gibt es im Umfeld des Münchener Abkommens noch zahlreiche "weiße Flecken" und vor allem ein übles Legendengestrüpp, das die Aufarbeitung dieses wichtigen Kapitels in der Geschichte der tschechisch-deutschen Beziehungen nicht unwesentlich behindert.

 

 
     
     
 
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