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Ohrfeige für Chiracs unbeliebte Politik?

 
     
 
Mehltau liegt über Frankreich. Die Politik bleibt klamm. Sie vermittelt den Eindruck, als ob sie Angst hätte. Sicher, im Frühling und im Herbst gehen die Franzosen gern auf die Straße und demonstrieren ein wenig. Gründe dafür finden die Gewerkschaften immer. Manchmal hält die Regierung stand und läßt die Fahnen vorbeiziehen. Diesmal aber ist sie eingeknickt. Die Gesetzesänderungen für die großen Reformvorhaben im Gesundheits-, Bildungs- und Haushaltssektor bleiben in der Schublade. Mehr noch: Der öffentliche Dienst wird nicht angetastet, die Regeln der 35-Stunden-Woche werden nur für den Privatsektor gelockert, neue Lehrer werden eingestellt, obwohl man ihre Zahl reduzieren wollte, und die Gehälter
werden trotzdem steigen. Die Regierung Chi-rac-Raffarin betreibt eine Beschwichtigungspolitik.

Der Grund für die neue Feigheit vor den Gewerkschaften: Die Regierung will absolut keinen Anlaß geben für eine Strafaktion beim Referendum im Mai. Sie braucht das Oui und sie will es. Ein Non wäre eine politische Niederlage. Chirac läßt seit Wochen keine Gelegenheit verstreichen, um die Bürger zu diesem Ja beim Referendum über die Verfassung Europas zu ermuntern. Aber er kennt seine Citoyens. Sie würden dieses Referendum nur zu gerne benutzen, um ihm und seiner Politik - zum Beispiel seinem unpopulären Eintreten für einen Türkei-Beitritt zur EU - eine Ohrfeige zu verpassen. Geschickt sucht er deshalb Streit mit EU-Instanzen, um seine Unabhängigkeit zu beweisen und den Bürgern zu zeigen, wie er die Interessen Frankreichs gegen den Technokraten-Moloch in Brüssel durchzusetzen bereit und in der Lage ist. Es war in diesem Sinn eine Art Geschenk, daß Kommissionspräsident Barroso auf der Umsetzung einer EU-Richtlinie bestand. Der nahezu genetische Asterix-Reflex gegen "die da oben im fernen Brüssel" vereinte die politische Klasse von links bis rechts gegen die EU. Auf dem Gipfel trat Chirac dann entsprechend energisch auf.

Ob es ihm nützt? Zweifel sind angebracht. Es geht nicht nur um Stimmungen. Die Kaufkraft der Franzosen ist schwächer geworden, jetzt sollen sie mehr arbeiten, um mehr zu verdienen - nur die Staatsdiener nicht, deren Gehälter werden auch so erhöht. Auf diese Weise verschärft Chirac das Hauptproblem, das er zu Beginn seiner zweiten Amtszeit nannte: die Ungleichheiten in der Gesellschaft Frankreichs. Und alles nur um Ruhe zu haben. Statt daß er beherzt die Arbeitslosigkeit angeht, die Zahl der Sozialhilfeempfänger reduziert und den Haushalt saniert. Möglich wäre es, denn die Regierung verfügt über komfortable Mehrheiten in Parlament und Senat. Was fehlt sind ein schlüssiges Konzept und der Mut, der Straße, also den Gewerkschaften, die Stirn zu bieten. In genau diese Situation kann eine bürgerliche Mehrheit in Deutschland kommen. Noch hat sie Zeit, sich darauf vorzubereiten.

In Frankreich tut das der neue Parteichef Sarkozy. Er hält sich aus der kurzatmigen Tagespolitik zurück und arbeitet an einem kohärenten Programm für die Wahlen 2007. Der Mut zur Umsetzung wird ihm nicht fehlen, denn wer ein zukunftsfähiges Programm hat, der ist glaubwürdig und kann so das Volk gewinnen. Ohne Volk aber sind auch die Gewerkschaften machtlos. Übrigens: Sarkozy meint es ernst. Er würde, so gab er jetzt in einem Fernsehinterview zu erkennen, auch gegen Chirac antreten, sollte sich dieser 2007 noch einmal zur Wahl stellen. Er, Sarkozy, könne sich durchaus zwei bürgerliche Kandidaten vorstellen. In der Tat, es wären zwei mit zwei verschiedenen Programmen. Martine Le Noxaic

Anstrengend: Chirac muß seine Franzosen auf ein Ja zur EU-Verfassung einschwören.
 
     
     
 
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