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Partnerschaftsvertrag zwischen der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit und dem Rayon Ragnit

 
     
 
Patenschaften werden auf unendliche Zeit geschlossen. Sie sind nicht auflösbar und können auch nicht durch Partnerschaften abgelöst werden. Patenschaften unterscheiden sich also grundlegend von Partnerschaften." Ein klares und eindringliches Wort. Derjenige, der es im August 1989 aussprach, war der Sozialminister des Landes Schleswig-Holstein
, Günter Jansen (SPD).

Wie so etwas dann in der Praxis aussieht, bewies nur einen Monat später der Kreistag im ostholsteinischen Plön. Der löste nämlich kurzerhand per Beschluß mit der denkbar knappsten Mehrheit (23 zu 22 Stimmen) die Kreispatenschaft auf. Diese war im Jahre 1952 unter dem damaligen Vorsitzenden der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit, Hans Reimer, mit dem Landkreis Plön abgeschlossen worden. Sie war damals einstimmig und parteiübergreifend festgelegt worden. Dieser Kreispatenschaft folgten sechs weitere regionale Patenschaften im Kreis Plön mit Orten aus dem Kreis Tilsit- Ragnit.

Doch politische Mehrheiten pflegen sich, wie auch der Zeitgeist, zu ändern. Über den Auflösungsbeschluß der Patenschaft durch den Kreis Plön und seine rotgrüne Mehrheit berichtete das "Ost-Holsteinische Tageblatt" vom 16. August 1989 unter der Überschrift: ",Aus‘ für Patenschaft mit ehemaligem Tilsit-Ragnit – CDU hält Mehrheitsbeschluß für unbegreiflich und wirklichkeitsfremd". Was war geschehen? In einer Sitzung des Plöner Kreistages standen die Themen Paten- und Partnerschaften im Mittelpunkt. Der Fraktionsvorsitzende der Kreis-SPD, Jörg Lorenzen, begründete die Auflösung mit dem Argument: Im Jahre 1952 habe mit dem Kreis Tilsit-Ragnit gar keine Patenschaft abgeschlossen werden können, weil dieser Kreis bereits 1945 "aufgegeben" wurde und "legale" Vertreter dieses Landkreises 1952 nicht anwesend waren. Eine rein formaljuristische, wenn auch irrige Argumentation.

Die Grünen, vertreten durch Kreisrat Karl-Ulrich Wolf, gingen in ihrer Begründung noch einen Schritt weiter. Der Kreisverband der Grünen, so Wolf, empfinde die Haltung des SPD-Sozialministers Jansen, Patenschaften seien generell unauflöslich, schlicht als "reaktionär". Mit seiner Stellungnahme unterstütze Jansen "schlimmes nationalsozialistisches Gedankengut". Und, so der Grünen-Politiker weiter, obwohl seine eigenen Genossen vor Ort von der Patenschaft Abstand genommen hätten, firmiere der ehemalige "SPD-Linke Jansen nun anscheinend als Steigbügelhalter der alten Ostlandritter, die mit selbsternannten Kreistagen und Kreisausschüssen ihre revanchistischen Gebietsansprüche manifestieren".

Die Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit hatte damals die Kündigung der Patenschaft umgehend als unverständlichen Schritt verurteilt und den in keiner Weise nachzuvollziehenden Schritt als instinktlos bezeichnet. Bis heute ist dieser Schritt in die falsche Richtung nicht zurückgenommen worden. Wie abwegig die Vorwürfe von Wolf und seinen Gesinnungsfreunden sind, hätte ihnen schon ein Blick in die Satzung der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit zeigen können. Dort heißt es nicht nur, daß der "Zusammenhalt der früheren Einwohner und deren Nachkommen" angestrebt werde, sondern auch die Förderung der "Pflege der Verbindung zum Patenkreis Plön und anderen Patenschaftsträgern", aber auch die "Kontaktpflege zur Heimat und den jetzt dort lebenden Menschen".

Im Sinne dieser Kontaktpflege hat vor einiger Zeit anläßlich der 710-Jahr-Feier von Ragnit der offizielle Besuch einer Delegation der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit stattgefunden. Zu dieser Feier hatte der Vorsitzende der Kreisgemeinschaft, Albrecht Dyck, vorher eine Einladung des Landrates und Bürgermeisters der Stadt Ragnit, Sergej Ledenjow, erhalten. Alle Landsleute, so hieß es in der Einladung, seien willkommen.

Die zu den Feierlichkeiten angereiste Delegation der Kreisgemeinschaft wurde als Ehrengast willkommen geheißen. Bei der im dortigen Sportstadion stattgefundenen Großveranstaltung sprach auch Dyck, dessen Grußwort großen Beifall fand. Ein besonders wichtiges Ereignis im Rahmen der Feierlichkeiten war die Unterzeichnung eines Partnerschaftsvertrages durch Bürgermeister und Landrat Ledenjow und Albrecht Dyck. "Zwischen den Neubürgern des Rayon Neman/Ragnit und der Kreisgemeinschaft Tilsit-Ragnit, den Altbürgern dieses Kreises, die ihre Wurzeln oder die ihrer Vorfahren im früheren Kreis Tilsit-Ragnit hatten", so heißt es einleitend, werde dieser Partnerschaftsvertrag geschlossen. Dieser solle, so heißt es im Vertragstext, "bereits vorhandene Kontakte aktivieren und neue eröffnen". Gefördert werden soll "kultureller Austausch, Jugendaustausch und gegenseitige Hilfen". "Weitere Partnerschaften zwischen den Menschen der heutigen Orte und Gemeinden und den Menschen der früheren Kirchdörfer" sollen folgen.

Auf dem sich anschließenden Bankett wurden Reden gehalten, die die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit betonten. Albrecht Dyck: "Wir haben fast zehn Jahre Zeit gehabt, einander kennenzulernen. Aus ersten Kontakten entstanden zunächst Freundschaften; es folgten Lehrer- und Jugendaustausch, gegenseitige Besuche der der Polizeispitzen, der Wirtschaft, der Kommunen und der Veteranen. Beim letzten Besuch im Heimatkreis, im Juli 1999, wurde die Idee geboren, unsere gemeinsamen Aktivitäten in einen Partnerschaftsvertrag münden zu lassen." Der Abschluß des Vertrages wurde beiderseits als ein "Meilenstein im harmonischen Zusammenleben beider Vertragspartner" empfunden und, so muß man hinzufügen, als eine späte Widerlegung der unhaltbaren Vorwürfe, die zehn Jahre zuvor aus dem Plöner Kreistag zu hören waren.

Helmut Pohlmann / G.X.

 
     
     
 
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