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Polen: Vom Glück der Vertreibung

 
     
 
Die jüngsten Ereignisse im Kosovo, als die Albaner gewaltsam vertrieben worden waren haben den 1949 in Danzig geborenen polnischen Schriftsteller Stefan Chwin veranlaßt einen Essay über die Vertreibung zu verfassen, veröffentlicht in der Tageszeitun "Die Welt" unter dem Titel "Das Geheimnis der Vertreibung". Warum sol die Vertreibung als das grausame Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ein Signum de 20. Jahrhunderts ein Geheimnis gewesen sein? Stefan Chwin, der einen vielfac preisgekrönten Roman, deutscher Titel "Tod in Danzig", verfaßt hat, schilder die Vertreibung als ein Ereignis der Geschichte, das nicht geleugnet werden darf, da aber, und hier liegt der Kern seiner Aussage, doch etwas Neues, Ordentliches, Gute gestiftet hat.

Als Poet, der übrigens in Danzig einen Lehrstuhl als Professor für Polonisti innehat, bezieht er sich auf Erzählungen seines aus Wilna, Vilnius, nach dem zweite Weltkrieg
vertriebenen Vaters, der wiederholt den Satz gesprochen hat: "Die Sache is erledigt." Der Verfasser des Essays legt diesen durch die Vertreibung geschaffene Status quo, ob dieser nun die Polen in Litauen und Ostpolen einschließlich Wolhynien ode die Deutschen in Danzig und Schlesien betrifft, als ein Faktum der Ordnung aus. Zwar geb es bei den aus der Heimat Vertriebenen "eine richtige Vertreibungswunde", abe die Vertriebenen empfinden gleichzeitig, "darüber erleichtert" zu sein "daß sie nicht mehr dort, in den Ostgebieten, in diesem kochenden Kesse verfeindeter Völker, leben mußten, daß sie wie durch ein Wunder von dort weggekomme waren".

Man stelle sich einmal vor, so wird vorgetragen, daß es keine Beschlüsse von Jalt und keine Vertreibung gegeben hätte, was sich dann etwa in Danzig zwischen Deutschen un Polen an Zwist und dramatischen Geschehnissen ereignet hätte!

Das von Stefan Chwin entworfene Psychogramm der aus ihrer Heimat Vertriebenen sieht s aus: "Sie verfluchten mit der einen Hälfte ihrer Seele das Übel, das ihnen (mit de Vertreibung) widerfahren war. Aber mit der anderen, der sich schämenden, schweigenden verborgenen Hälfte dankten sie dem Übel, daß es getan hatte, was es getan hatte. Da es die sich schmerzhaft verletzenden Völker voneinander getrennt hatte." Waru Stefan Chwin hinter diesen Aussagen plötzlich ein Fragezeichen setzt, ist nun selbst mi einem Fragezeichen zu versehen.

Man erinnert sich einer Aussage des seinerzeitigen ersten freien polnische Außenministers Krysztof Skubiszewski, der 1990 wiederholt erklärt hat, daß es den Pole nicht mehr länger zuzumuten gewesen sei, mit Deutschen zusammenzuleben. Auch hier de geradezu nicht anders als der die Vertreibung rechtfertigende Ausdruck des Ordnungstiften durch die Vertreibung. In der Schlußfolgerung zielt diese Art der Rechtfertigung de Vertreibung auf die Grausamkeit der "ethnischen Begradigungen", wie wir sie all gemeinsam angesichts der Ereignisse im ehemaligen Jugoslawien erlebt haben. Vertreibunge sind Unrecht und vermögen nur gewaltsam ein sogenanntes neues Recht zu setzen, das abe stets, solange Menschen aus ihrer Heimat vertrieben werden und vertrieben bleiben, Unrech bleibt.

Die Bestätigung der Vertreibung als eines Faktums, durch das eine neue, offenba zuverlässige Ordnung begründet wird, ist in der Generation der unmittelbaren Opfe dieser Vertreibung, so meint es Stefan Chwin, nicht überzeugend zu vermitteln, weshalb e auf die folgenden Generationen setzt, die das Unrecht von gestern als Recht akzeptieren "Erst wenn die Generation der Opfer und Zeugen ausgestorben oder alt geworden sei wird, wird sich die Chance eines normalen Lebens und normaler Gefühle bieten." I Widerspruch zu dieser Zukunftsvision muß deutlich genug erklärt werden, daß durch die Vertreibung der Menschen aus ihrer Heimat kein Faktum der Ordnung, ein sogar noch zu begrüßendes Faktum, geschaffen werden kann. Das Übel der Vertreibung, das Verbreche gegen die Menschenrechte ist zwar in unserem Jahrhundert wiederholt geschichtsnotorisc geworden, aber gerade deswegen darf man es nicht zu einem ordnenden Faktor erklären un auch nicht auf die normative Kraft nach einem bestimmten Zeitablauf setzen
Herbert Hupka


 
     
     
 
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