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Schweizertal

 
     
 
Ein Zehnjähriger erlebt die Flucht aus Ostdeutschland auf grausamste Weise, lebt dann fast ein halbes Jahrhundert in der DDR und beginnt nach der Wende ein Buch über sein kleines Heimatdorf zu schreiben: Schweizertal bei Gumbinnen. Das ist allein schon eine löbliche Absicht, aber das Ergebnis bezeugt Wille und Wunsch des Autors Fritz Weller, die Geschichte seiner Kinderheimat von den Anfängen bis zum bitteren Heute bis ins kleinste Detail aufzuzeigen. Getreu dem Titel des Buches "Unsere Heimat lebt – so lange wir wollen".

Sie lebt in diesem Buch, denn nicht nur seine Erinnerungen bringt der Autor ein, sondern auch die anderer Bewohner und Zeitzeugen. Sie tragen mit zu einer Chronik, die weit über den engen Rahmen des kleinen Dorfes an der Rominte hinausgeht. Fritz Weller listet nach einer landeskundlichen Einführung über Ostdeutschland die Vergangenheit mit Daten, Zahlen und Namen akribisch auf, zuerst in einer Abhandlung über die Besiedlung des Hauptamtes Insterburg mit dem späteren Regierungsbezirk Gumbinnen, um dann den Zirkel enger zu stellen und seinen Heimatort einzukreisen.

Schweizertal –  für wen diese nicht einmal 400 Seelen zählende Gemeinde kein Begriff ist, könne glauben, der Name käme von einer lieblichen Hügellandschaft, einer sogenannten "Schweiz". Tatsächlich entspricht die Landschaft an der Rominte diesen Vorstellungen: Mit dem romantischen Flußlauf, den Plicker Bergen mit ihrer höchsten Erhebung, dem 121,8 Meter über NN liegenden Husarenberg, und dem Marienthaler See. Und früher auch mit den satten Weiden
und reichen Feldern. Aber der Name bezieht sich auf die Schweizer Kolonisten, Glaubensflüchtlinge wie vorher die Hugenotten und wenig später die Salzburger, denen der Preußenkönig Friedrich Wilhelm I. hierin dem durch die Pest "wüst" gewordenen Land eine neue Heimat gab. Ihre Nachkommen saßen bis zur Flucht auf den Höfen. Den Namen "Schweizertal" erhielt der Ort durch die Umbenennung im Jahre 1938, vorher Nestonkehmen. Zu dieser Landgemeinde zählte auch Husarenberg, ursprünglich Perkallen, mit dem Gut, das vor allem durch seine Pferdezucht bekannt war.

Fritz Weller durchleuchtet seine Heimat bis zum letzten Winkel, auch das Kriegsgeschehen wird sorgfältig dokumentiert. Ein großer Teil der Chronik ist der Flucht gewidmet, die für die Schweizertaler schon im Oktober 1944 begann. Der Zehnjährige erlebt Nemmersdorf, der Treckwagen kann den Ort gerade noch verlassen, als die Russen schon eindringen. Der Name Nemmersdorf steht für die furchtbarsten Greueltaten der Roten Armee an deutschen Zivilisten.

Weller gibt nicht nur den eigenen Erinnerungen an die größte Vertreibung in der deutschen Geschichte Raum, sondern läßt auch weitere Zeitzeugen berichten, bringt Fakten und Zahlen, zieht eine nüchterne Bilanz. Wie sich überhaupt der Autor ohne stilistische Ausschmückungen an die reinen Tatsachen hält – bis zum letzten Kapitel, dem trostlosen Spurensuchen im heutigen Woronowo.

Die vielen Abbildungen von einst und heute tragen mit zu dem dokumentarischen Charakter des schlicht gebundenen Buches bei, das hilft, unsere Heimat unverfälscht zu bewahren, und deshalb auch einen größeren Leserkreis ansprechen will. V.-R.

Fritz Weller: Erinnerungen an Schweizertal, 132 Seiten, 35,– DM, zu beziehen beim Autor, Marktberg 38, 17291 Prenzlau

 

 
     
     
 
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