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Sie waren auf Bankraub spezialisiert

 
     
 
Urlaub und langweilig?" fragte Michael Lendkowski, als habe er nicht richtig verstanden. Er schüttelte den Kopf und schaute seine Frau an. Die lachte hell auf. "Unser Urlaub war früher nie langweilig", versicherte sie, "manchmal war er sogar ein wenig zu aufregend, aber wir beide haben nun einmal einen Hang zum Theaterspielen. Schließlich haben wir uns ja in einer Laienspielgruppe kennengelernt."

"Das muß ich Ihnen erklären", fiel ihr Mann ein. "Im Urlaub soll man die Tapeten wechseln, so gründlich wie nur möglich. Wir ändern deshalb nicht nur Umgebung, Landschaft und so, nein, wir krempeln uns auch selbst völlig um. Einmal zum Beispiel war ich ein Gelehrter und meine Frau die junge, tatkräftige, mit beiden Beinen im Leben stehende Ehefrau.

Wir hatten uns eine hübsche kleine Pension in Rossitten ausgesucht. Die ersten beiden Tage benahmen wir uns noch zurückhaltend, völlig unauffällig
, dann aber blieb ich plötzlich in der Tür stehen, legte den Finger an die Nase und murmelte, allen verständlich: ‚Gaslysator für die Epithermodystole, das ist das Problem! "

"Was ist das? Epithermodystole?" - Lendkowski zuckte die Achseln. "Keine Ahnung ... Zwei Minuten blieb ich also stehen, dann klopfte ich mir an die Stirn, meine Frau lächelte nachsichtig, und wir nahmen Platz! Alle beobachteten uns, die Wirtin wurde hinterher mit Fragen überschüttet, aber sie konnte nicht mehr sagen, als daß ich ein Gelehrter aus Königsberg sei. Von da an standen wir im Mittelpunkt des Interesses der Pensionsgäste. Eine alte Dame versuchte, mich in ein Gespräch über Zeppeline zu verwickeln, aber ich winkte ab und meinte: ‚Ich bin so glücklich, daß ich endlich einmal nicht darüber sprechen brauch.

Es war ein reizender Urlaub. Alle freuten sich, wenn ich gedankenversunken versuchte, das Fleisch mit der Gabel zu schneiden, oder mich beklagte, meine Pfeife ziehe nicht, bis jemand bemerkte, es wäre wohl besser, wenn ich den Tabak in Brand setzte. Und meine Frau war immer rührend und nachsichtig. Wir hinterließen einen tiefen Eindruck und amüsierten uns königlich.

Im nächsten Jahr haben wir dann ‚Tyrann gespielt. Meine Frau schnitt mir den Braten, ließ mich zuerst durch die Tür gehen und holte im strömenden Regen für mich das Königsberger Tageblatt. Es waren dankbare Rollen! Die anderen Gäste hatten tiefes Mitleid mit meiner Frau und waren sehr empört über mich. Und die Freude, wenn sie sahen, daß ihre Ratschläge, wie man einen Typ wie mich erziehen müsse, sogar Erfolge zeigten! Ach ja, im Urlaub damals haben wir viele Menschen glücklich gemacht!

Dankbar war auch ‚Schauermann im Urlaub . Ich ein Kraftprotz, der zwei Zentner mit dem kleinen Finger hebt und es sich leisten kann, seine Ferien in einer guten Pension in Nidden zu verbringen. Halb sprachen wir ostpreußisch platt, halb hochdeutsch, stets verwechselten wir mir und mich, wir haben uns selbst übertroffen. Als man uns klarmachen wollte, daß man Bücher nicht nur für den Schrank kauft, sondern sie auch lesen könne, haben wir mächtig gestaunt und damit alle erheitert.

Einmal sind wir auf diese Weise übrigens sogar zu einem kostenlosen Urlaub gekommen ..."

"Nein!" widersprach Frau Lendkowski, "wir haben das Geld dann mit der Post geschickt und alles aufgeklärt, schließlich waren wir ja keine Zechpreller, höchstens Bankräuber."

"Das war so", erzählte Lendkowski. "Wir waren in einer Pension in Nikolaiken am Spirding-See und spielten ‚eifersüchtiges Ehepaar . Aber die anderen Gäste fanden das nur dumm, denn es waren lauter vernünftige Leute, und da wir uns ein bißchen albern vorkamen, fuhren wir weiter. Als es uns nach einigem Suchen gelungen war, wieder eine nette Unterkunft zu finden, beschlossen wir, mal was ganz anderes zu versuchen. Wir nannten es ‚der Entlassene . Ich benahm mich sehr ungewandt, war unhöflich, entschuldigte mich tausendmal für jede Kleinigkeit und ließ mich von meiner Frau über die bekanntesten Dinge aufklären.

‚Ihr Gatte war wohl lange im Ausland? fragte eine ältere Dame neugierig. ‚Er ist noch etwas unbeholfen erwiderte meine Frau ausweichend, ,er muß sich erst wieder zurechtfinden.

‚War er lange krank? forschte die alte Dame weiter. Meine Frau schüttelte energisch den Kopf. ‚Nein, aber er ist doch erst vor acht Tagen entlassen! - ‚Entlassen?

‚Ja, entlassen , erwiderte meine Frau, ‚sieben Jahre hat er gehabt!

‚Gefängnis? flüsterte die alte Dame entsetzt.

Meine Frau war empört. ‚Zuchthaus natürlich! meinte sie, ‚aber Sie brauchen sich nicht zu fürchten. Er ist auf Bankraub spezialisiert!

Schon eine Stunde später klopfte die Wirtin an unsere Tür und teilte uns unter vielen Entschuldigungen mit, daß sie unser Zimmer leider

anderweitig benötige. Es tue ihr schrecklich leid, aber alte Gäste ... Selbstverständlich verzichte sie unter diesen Umständen auf Bezahlung."

"Und welche Pläne haben Sie für Ihren nächsten Urlaub?"

Herr und Frau Lendkowski blick-ten einander an und lächelten dabei geheimnisvoll. "Ich denke, wir reisen als Hafenarbeiter und Fürstentochter auf der Hochzeitsreise, was meinst du, Liebling?"
 
     
     
 
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