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Sollen Iran und Syrien den Irak stabilisieren?

 
     
 
Bei Bewertung der jüngsten Ereignisse im Irak, in Palästina und im Libanon (einschließlich der verdächtig "offenkundigen" Schuld-Zuweisungen nach dem Mord am maronitischen Minister Pierre Gemayel) tut man gut daran, die zeitliche Abfolge im Auge zu behalten.

Ende Oktober war zu den US-Medien durchgesickert, was die "Baker-Kommission" der US-Regierung bezüglich des weiteren Vorgehens im Irak empfehlen würde: Nämlich die direkte Einbindung Syriens und des Iran in die Befriedungsbemühungen, denn nur so sei ein schrittweiser Abzug der USA möglich. Daß die Regierungen in Damaskus
und Teheran die inneramerikanischen Diskussionen aufmerksam verfolgen, liegt auf der Hand. Sie reagierten aber erst einige Tage nach den "Halbzeitwahlen" vom 7. November - als eindeutig feststand, daß Bush nun in beiden Häusern des US-Parlaments keine Mehrheit haben und für den Rest seiner Amtszeit eine "lahme Ente" sein würde.

Am 12. November erklärte der syrische Außenminister Walid Muallim, Syrien sei "jederzeit zum Dialog mit den USA bereit". Und so als hätte er schon einen Vermittlungsauftrag, reiste er am 20. November nach Bagdad - später als geplant, denn wer dorthin nicht von den USA eingeladen wird, kann dies nicht von heute auf morgen tun. Diesem Besuch kommt deswegen besondere Bedeutung zu, weil Syrien und der Irak jahrzehntelang keine diplomatischen Beziehungen unterhielten: Der syrische Zweig der "panarabischen" und "sozialistischen" Baath-Partei und der irakische Flügel unter Saddam Hussein waren erbitterte Feinde gewesen.

Teheran ging noch weiter und lud den irakischen Präsidenten, den sunnitischen Kurden Talabani, zum Staatsbesuch nach Teheran ein. Auch dieser Besuch fand mit Verspätung statt - vom 27. bis 29. November -, weil die Sicherheitslage die Abreise Talabanis verzögerte. Es war der erste derartige Staatsbesuch seit Ende des "Ersten" Golfkriegs 1980 bis 1988, in welchem Saddam Hussein sich auf umfassende Schützenhilfe des Westens stützen konnte.

Mitte November - wohl mit Absicht erst nach den US-Wahlen - brachte Jimmy Carter sein aufsehenerregendes Buch "Palestine - Peace not Apartheid" heraus. Carter, der sich nach den Wahlen in Palästina dafür ausgesprochen hatte, der Hamas-Regierung eine Chance zu geben, übt darin scharfe Kritik an Israel. Wie er erklärte, wolle er mit dem Buch "eine Diskussion in Gang bringen", denn niemand in den USA kritisiere Israel und nicht einmal eine ausgewogene Haltung werde akzeptiert. Die Unterstützer Israels spielen, so Carter, "eine sehr einflußreiche Rolle".

Auch Carter tritt für die Einbindung Syriens und des Iran ein - so wie dies andere namhafte US-Persönlichkeiten und nun sogar Tony Blair verlangen. Aber es gibt offensichtlich Kräfte und Mächte, die dies unbedingt verhindern wollen. Und welcher Zufall: Gemayel wurde am 21. November ermordet - genau als der syrische Außenminister in Bagdad weilte. Wie bestellt kamen die Anschuldigungen gegen Syrien - so auch von Detlev Mehlis, der durch seine wenig rühmliche Rolle bei der Untersuchung des vorjährigen Mordes an Ex-Ministerpräsident Hariri in Erinnerung ist.

Der Mord an Gemayel hat einen weiteren "Vorteil": Er kommt allen zugute, denen am Fortbestand der antisyrischen Koalition des libanesischen Ministerpräsidenten Fuad Siniora gelegen ist. Dieses Bündnis des sunnitischen Hariri-Klans mit dem maronitischen Gemayel-Klan hält so lange, als alle an das gemeinsame Feindbild glauben. Daß nach der Ermordung des Sunniten Hariri nun auch ein maronitischer Spitzenpolitiker drankam, sorgt für ein "ausgewogenes Verhältnis". Leicht könnte sonst Mißtrauen aufkommen - und libanesische Allianzen sind nun einmal "vorübergehend". Bekanntlich hatte 1976 Pierre Gemayels Onkel Baschir - damals Führer der Partei-Miliz der Kataïb (Phalange) - die Syrer ins Land gerufen. Und der Maronit Michel Aun, jetzt Teil der prosyrischen Allianz mit Hisbollah und Amal (beide schiitisch), war einst als Oberbefehlshaber der libanesischen Armee erbitterter Feind der Syrer gewesen.

Daß Bush den Irak-Empfehlungen von Carter, Baker und anderen folgen wird, bleibt trotz allem unwahrscheinlich - "Syrien und der Iran fürchten eine Demokratie im Herzen des Nahen Ostens", ließ er nach dem Nato-Treffen verlauten. Sicher nur ein dummer Zufall, daß bei freien Wahlen dann immer diejenigen unterliegen, die vorher von den USA massiv unterstützt wurden.

 

Die "Baker-Kommission"

Eigentlich ist sie eine "Baker-Hamilton-Kommission", denn die im März vom US-Abgeordnetenhaus eingesetzte zehnköpfige Irak-Studiengruppe wird gemeinsam vom Republikaner James Baker und dem früheren demokratischen Abgeordneten Lee Hamilton geleitet. Die Kommission sollte die Lage analysieren und (unverbindliche) Vorschläge zur Problemlösung erarbeiten. Diesen Empfehlungen kommt nun insofern mehr Gewicht zu, als die Regierung durch das Wahlergebnis vom

7. November geschwächt ist. Die Veröffentlichung des Kommissions-Berichts ist in den nächsten Tagen zu erwarten. Baker war 1985 bis 1988 Finanzminister unter Ronald Reagan und 1988 bis 1992 Außenminister unter Bush Senior. Im "Zweiten" Golfkrieg von 1991 war er führend am Zustandekommen der Koalition zur Rückeroberung von Kuwait beteiligt.

 

Jimmy Carter

Der Demokrat war US-Präsident 1977 bis 1981. In seine Zeit fallen die Freigabe des Panama-Kanals, das (erste) Camp-David-Abkommen, das zum Friedensvertrag zwischen Israel und Ägypten führte, und das Salt II-Abkommen zur Begrenzung der Atom-Rüstung. Später war er mehrfach als internationaler Vermittler tätig. Sein Einsatz für die Menschenrechte wurde 2002 mit dem Friedensnobelpreis honoriert.
 
     
     
 
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