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Unbändige Schaffenskraft

 
     
 
Ein seltenes Gewächs in Gottes buntem Garten“, nannte ihn einmal sein Freund Karl Heinrich Müller, der Kunstsammler und Begründer der Museumsinsel Hombroich. Andere sprechen vom „Steinmetz Gottes“, nennen ihn einen Einzelkämpfer, einen „gerade, aufrichtigen und originalen Kerl“, einen „unbekümmerten Anachronisten“, heben seine Begabung hervor, Geschichten zu erzählen und lieben seine „unbändige Schaffenskraft und seinen ungebrochenen Lebensmut“. Manche Freunde allerdings „fürchten vielleicht seinen immer noch wachen Poltergeist und entdecken das Kind im Manne, das auf den Schultern von ,Eisenhans‘ in die Welt der Kunst geht, um Wildblume
n vor der Königstochter niederzulegen“, so Heribert Brinkmann in seiner Monographie über Anatol, den Bildhauer und Maler (erschienen zur Ausstellung „Spuren suchen - legen - lesen ANATOL“, die im März aus Anlaß des 70. Geburtstages des Künstlers im Museum Bochum zu sehen war. 184 Seiten mit vielen sw und farbigen Fotografien, Klappbroschur, 40 DM, zu beziehen über Frank Schorneck, Laerfeldstraße 35, 44803 Bochum).

Geboren wurde der eigenwillige Künstler, der 1991 mit dem Bundesverdienstkreuz und 1995 mit dem Lovis-Corinth-Preis der Künstlergilde ausgezeichnet wurde, als Karl Heinz Herzfeld am 21. Januar 1931 in Insterburg. Aufgewachsen bei Pflegeeltern, erlebte er als junger Mann den Zweiten Weltkrieg in seiner Heimat Ostdeutschland mit all ihren Schrecken. Die Vertreibung führte ihn dann ganz in den Westen Deutschlands. Dort erlernte er zunächst das Schmiedehandwerk und wurde dann Polizist; diesen Beruf übte er bis zu seiner Pensionierung aus. Nebenher studierte er an der Staatlichen Kunstakademie in Düsseldorf bei Joseph Beuys, der ihn sehr geprägt hat, und bei Carl Wimmenauer (1964-1972). Später (1979-1981) erhielt der Ostpreuße sogar einen Lehrauftrag an „seiner“ Akademie. Seit dieser Zeit lebt und arbeitet er in Düsseldorf und auf der Insel Hombroich in Neuss-Holzheim; dort hat Anatol, wie sich Herzfeld als Künstler nennt (nach einer Figur aus Tolstois „Krieg und Frieden“), auch eine alte ostdeutsche Bauernkate nachgebaut, die ihn - und nicht zuletzt auch die Besucher der Museumsinsel - an das unvergessene Land im Osten erinnert.

Immer wieder findet man in seinen Arbeiten Symbole wie die Kreuzblüte, die für Anatol auch ein Symbol seiner Heimat ist. „Als ich 1946 aus meiner Heimat Ostdeutschland vertrieben wurde, blühte dort überall das Unkraut Hederich“ (ein Kreuzblütler) ... „Als wir im Zug steckten, kamen wir irgendwann über die Weichsel. Da wußten wir, es geht nach Westen. Ich war damals sechszehn. Mir ging es wie einem herausgerissenen Baum oder einem aus dem Nest geworfenen Vogel. Es war Herbst, da blühte der Hederich, er blühte gelb wie der Raps ...“

Auch der Fisch, als Symbol des auferstandenen Christus, und der Schmetterling sind im Werk des gläubigen Christen Anatol immer wieder zu entdecken. Eisen, Stein, Holz sind die bevorzugten Werkstoffe, alte Türen, verwitterte Fensterläden führt er einer neuen Bestimmung zu. Er bearbeitet alte Findlinge und gibt ihnen neues Leben. Interessierte Zuschauer stören den Künstler nicht bei der Arbeit, er läßt sie an seinem Schaffen teilhaben, zieht sie in den Entstehungsprozeß mit hinein und macht sie so vom Betrachter zum Beteiligten und schließlich zum Betroffenen, wie Ingeborg Gottschalk, Sammlerin und Kunstfreundin, in der Monographie feststellt.

„Anatol“, so Hans Günter Golinski in der Monographie, „hat in seinem siebzigjährigen Leben immer wieder die Spuren einer vergangenen Kindheit gesucht und damit den Traum von einem unschuldigen, reinen Seinzustand geträumt. Mit dem suchenden Blick zurück und zugleich nach vorn hat der erwachsene Anatol über die Jahre hinweg eigene Fährten in der Realität der Gegenwart gelegt. Läßt man sich auf diese Zeichen ein, so eröffnet sich eine Bildpoesie, die zwar wehmütig von einem unwiederbringlichen Verlust kündet und dennoch einen naiven Glauben und eine trotzige Hoffnung wider jede Vernunft aufrechterhält.“ Os

 
     
     
 
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